Die WG-Oma ist für die Atmosphäre zuständig
Vor Kurzem bin ich Oma geworden. Genauer: WG-Oma. Dafür musste ich nicht einmal etwas leisten, auch nicht besonders alt sein. Meine älteste Mitbewohnerin ist immerhin sieben Jahre älter als ich. Während sie dank ihres Alters den Titel „WG-Mama“trägt, darf ich mich nun „WG-Oma“nennen. Denn das ist der Titel für die Dienstälteste, für diejenige also, deren Umzug in unsere Wohnung am längsten zurückliegt.
Der Titel qualifiziert mich zwar für keine Aufgabe, aber er deutet die fast schon familiäre Atmosphäre an, die sich seit einer umfassenden Neubesetzung vor einigen Monaten bei uns eingespielt hat. Unsere WGMama weiß aufzumuntern, wenn jemand von uns durch eine Klausur gefallen ist, „Hartz IV ist ja auch noch eine Lösung“, und auch wir Anderen wissen uns gut vom UniAlltag abzulenken: Wir lösen Kreuzworträtsel, führen Diskussionen und die Idee einer WG-Band ist noch nicht aus der Welt.
Vor ein paar Tagen saßen wir gemeinsam am Küchentisch. Ein seltener Anblick, denn normalerweise ist immer jemand unterwegs – vielleicht einer der Tricks, um die Harmonie in einer sechsköpfigen WG beizubehalten. Mein nachdenklicher Blick ruhte auf meinen „WGEnkelinnen“.
Schon erstaunlich, wie sich sechs vorher fremde Menschen auf wenig Raum nicht nur einigermaßen ertragen können, sondern sich sogar so gut verstehen, dass sie zusammen wohnen und so eine ganz eigene Art von Freundschaft aufbauen. Auf diese Weise sentimental geworden, legte ich mein Strickzeug auf die Seite und griff zum Kreuzworträtsel, um mich etwas abzulenken. „WGOma“– so ein Titel will mit Würde und mit Recht getragen werden. Anne Blauth studiert Mathematik und Geschichte auf Lehramt in Münster.