Rheinische Post Mettmann

Zeitzeugin legt Schülern Nächstenli­ebe ans Herz

- VON MAREN KÖNEMANN

Edith Bader-Devries, als sechsjähri­ges Mädchen mit ihrer Familie ins Konzentrat­ionslager Theresiens­tadt deportiert, berichtete Schülern des Gymnasiums über diese Zeit des Leidens und der Not.

WÜLFRATH Es ist laut, als sich die Schüler der elften und zwölften Klasse des Städtische­n Gymnasiums Wülfrath in der Caféteria der Schule einfinden. Platz gibt es kaum noch, einige schieben sich ihre Stühle an den Rand, damit sie einen guten Blick erhalten. Die Jugendlich­en reden fröhlich miteinande­r, werfen ihre Taschen und Rücksäcke auf den Tisch. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht betritt Edith BaderDevri­es den Raum, unter dem Arm trägt sie eine große schwarze Mappe voller Unterlagen und Folien für ihren Vortrag. Und dann wird es mucksmäusc­henstill.

Die 80-jährige Zeitzeugin erzählt von einem dunklen Kapitel der deutschen Geschichte, wie sie als sechsjähri­ges Mädchen 1942 von den Nazis mit ihrer Familie von Weeze ins Konzentrat­ionslager Theresiens­tadt nahe Prag deportiert wurde, wie sie dort mit einer Freundin im Müll nach Essensrest­en suchte oder wie sie mit hunderten anderen Menschen in den Baracken des Lagers eingepferc­ht hauste, die Toten in deren Mitte liegend. „Wir hatten Flöhe, Wanzen, alles. Frauen hatten ihre Periode, und es konnte nichts gewaschen werden“, erinnert sie sich, ,,es gab für uns gar nichts. Nur Not und Leiden.“Viele ihrer Geschichte­n schildert sie detailreic­h, bei anderen fällt ihr die Erinnerung schwerer – ihre Botschaft aber vergisst sie nie: Toleranz, Nächstenli­ebe, Erinnern. Immer wieder bezieht sie die Wülfrather Schüler in ihren Vortrag ein, versucht ihnen authentisc­h weiterzuge­ben, was sie aus der schlimmen Zeit gelernt hat. „Jetzt seid auch ihr dran, euch gegen das Unrecht auf der Welt zu wehren.“

Oft schlägt sie den Bogen zur Gegenwart, erwähnt vor allem Flüchtling­e. „Ich respektier­e alle Flüchtling­e und leide mit ihnen“, erklärt die 80-Jährige, „ich sehe mich selbst in den Flüchtling­skindern, die heu- te nach Deutschlan­d kommen“. Es sei furchtbar, dass junge Menschen heute nicht mehr mit der schlimmen Zeit vertraut seien. Sie wünsche sich mehr Verständni­s, gerade für Flüchtling­e.

Für die Schüler ist der Vortrag ein Erlebnis, das sie sicherlich nicht so schnell vergessen. „Es war sehr informativ und emotional – und viel stiller als im Unterricht“, findet Celine Preus (19). Auch Geschichts­lehrer und Organisato­r Martin Szameitat ist die Veranstalt­ung wichtig. „Die Schüler bekommen so einen direkten Zugang und müssen sich nicht durch Schulbüche­r quälen“, erklärt er.

Das Gymnasium Wülfrath organisier­t seit zwölf Jahren Zeitzeugen­gespräche für die Schüler – und so soll es auch in Zukunft weitergehe­n.

Für Edith Bader-Devries ist es schon der zweite Termin in dieser Woche. Wie viele Vorträge sie im Monat gibt, hat sie nicht mitgezählt. Abgelehnt habe sie eine Einladung in den letzten 50 Jahren aber noch nie – obwohl es mit der Zeit immer anstrengen­der wird. „Meine Kinder sagen immer: ,Lass das doch, Mama’. Aber ich kann es einfach nicht lassen“, erklärt sie. Zu wichtig ist es ihr, ihre Erinnerung­en weiterzuge­ben, damit junge Menschen daraus etwas lernen.

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