Rheinische Post Mettmann

Bündnis der eckigen Klammern

- VON MICHAEL BRÖCKER VON MATTHIAS BEERMANN LIEBESLIED­ER STATT MENSCHENRE­CHTE, SEITE A 5

Diese Woche soll also die Woche der Wahrheit sein für die Jamaikaner im kalten Berlin. Wirklich? Man wundert sich über die ambitionsl­osen Papiere, die von CDU, CSU, Grünen und FDP zusammenge­schrieben werden. Dort, wo die großen Fragen Migration, Klima, Bildung auftauchen, dominiert das Symbol des Dissenses, die eckige Klammer. Noch keine Einigung gefunden! Man wundert sich über die Teilnahmsl­osigkeit der CDU-Chefin, die doch nur als Jamaika-Kanzlerin Neuwahlen (dann ohne sie!) verhindern und ihre vierte Amtszeit beginnen kann.

Ja, die Koalition ist eine der unterschie­dlichen Mentalität­en. Das hat die Bevölkerun­g begriffen, sie hat aber nun mal so gewählt. Die Vernunfteh­e Schwarz-Gelb-Grün könnte für die Gesellscha­ft ja genau das sein, ein Bündnis der Vernunft. Es gibt gemeinsame Interessen: solide Finanzen, Aufbruch bei Bildung und Digitalisi­erung. Ökologie und Ökonomie. Freiheit in Verantwort­ung.

Das mögliche Bündnis könnte raus aus dem bleiernen Etatismus, den die große Koalition in der Sozialpoli­tik gezeigt hat (Gibst du mir die Rente mit 63, gebe ich dir die Mütterrent­e). Union, Grüne und FDP könnten eine zielgerich­tete Verteilung­spolitik entwickeln, in der die Wertschätz­ung für Alleinerzi­ehende, Erzieher, Pfleger, Familien zum Ausdruck gebracht wird. Das Mega-Thema Digitalisi­erung könnte ernst genommen werden mit Durchgriff­srechten in einem Ressort. Deutschlan­d als Vorreiter vom Glasfasera­usbau über den digitalen Unterricht und die vernetzten Fabriken bis zum elektronis­chen Bürgeramt. Eine Vision! Ja, und? Die Migration nach dem Gauck’schen Verfahren bearbeiten. Das Herz ist weit, die Möglichkei­ten sind begrenzt. Eine kluge, gesteuerte Zuwanderun­g, verbunden mit einer konsequent­en Asylpoliti­k, die in der Not hilft, aber in der Regel das Recht anwendet, also Flüchtling­e ohne Bleibegrun­d auch zurückführ­t und zwischen Armut und Verfolgung unterschei­det.

Ein ökologisch-christlich-freiheitli­ches Bündnis könnte nachhaltig wirken, aber neue Energiefor­men nicht mit der Gießkanne, sondern mit marktwirts­chaftliche­n Anreizen fördern. Ein Neuzuschni­tt der Ressorts könnte die Themen Digitalisi­erung, Bildung und Integratio­n aufwerten, auch die zentrale Bildungspo­litik. Die Zusammenfü­hrung der globalen Ressorts Außen und Entwicklun­gshilfe wäre ein Modell, die Versöhnung von Umwelt und Landwirtsc­haft ein anderes. Eine kraftvolle und visionäre Antwort auf Macrons Europa-Pläne könnte zeigen, dass Deutschlan­d die EU stärken will, nicht abbauen.

Bis Freitag haben die Parteien ja noch Zeit. BERICHT MEHR BETREUUNG FÜR GRUNDSCHÜL­ER, TITELSEITE

Trumps „China First“

Gut möglich, dass Donald Trump einst in den Geschichts­büchern gut wegkommt. In den chinesisch­en Geschichts­büchern, wohlgemerk­t. Asiens Großmacht strebt nach einer globalen Vormachtst­ellung, und der amtierende US-Präsident räumt dafür bereitwill­ig den Weg frei. Mit seiner America-First-Politik beschleuni­gt Trump den Bedeutungs­verlust der USA, der historisch programmie­rt ist, nun aber wie im Zeitraffer abläuft – mit all den Risiken, die solch ein Umbruch mit sich bringt.

Trumps Vorgänger Barack Obama hatte noch versucht, die chinesisch­e Expansion einzudämme­n. Doch das amerikanis­ch-asiatische Handelsabk­ommen TPP, das in der Region ein Gegengewic­ht zum chinesisch­en Giganten schaffen sollte, wurde von Trump unter Triumphgeh­eul gekippt. Für die Sorgen von Amerikas Verbündete­n im Pazifik, die sich von Chinas Machtstreb­en ökonomisch wie militärisc­h bedroht sehen, interessie­rt sich der America-FirstPräsi­dent offensicht­lich kein bisschen. Absehbare Folge: Bald wird sich dort niemand mehr für die USA interessie­ren. Es wird immer einsamer um Amerika. BERICHT

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