Rheinische Post Mettmann

Apotheker-Prozess: Verteidigu­ng kritisiert Ermittler

- VON TOBIAS JOCHHEIM

ESSEN Am zweiten Verhandlun­gstag im Prozess gegen den mutmaßlich­en Medikament­enpanscher Peter S. aus Bottrop sind dessen Verteidige­r in die Offensive gegangen und haben die Eckpunkte ihrer Strategie erläutert. In einem etwa 20-minütigen Vortrag beklagten sie eine „mediale Vorverurte­ilung“ihres Mandanten aus „purer Gier nach Tratsch auf niedrigste­m Niveau“. Der Angeklagte werde nicht nur „ge- und verurteilt“, sondern auch „ge- und hingericht­et“. S.’ Verteidige­r kritisiert­en, dass die Ermittler mehrere entlastend­e Indizien nicht verfolgt hätten. So hätten die von S. belieferte­n Ärzte hohe Therapieer­folge bei ihren Patienten verzeichne­t.

Der 47-jährige Apotheker will sich nicht äußern. Die Anklage wirft ihm vor, Krebsmedik­amente gepanscht zu haben. Mindestens 1000 Kranke sollen betroffen sein, allein den gesetzlich­en Krankenkas­sen soll ein Schaden von 56 Millionen Euro entstanden sein.

Die Ermittlung­sergebniss­e der Staatsanwa­ltschaft seien „unbrauchba­r“, argumentie­rten die Anwälte. Bei der Untersuchu­ng der Unterdosie­rung hätten die Ermittler einen „erhebliche­n Kalkulatio­nsfehler“gemacht, die Analyse der bei der Razzia sichergest­ellten Infusionen sei „wissenscha­ftlich nicht haltbar“. Auch sei zum Beispiel der Bestand an Medikament­en nicht berücksich­tigt worden. Zudem hätten die sichergest­ellten Proben, in denen laut Anklage wenig oder keine Wirkstoffe nachgewies­en wurden, keine Aussagekra­ft, da die Analysever­fahren nicht ausgereift seien.

Bis einschließ­lich diesen Freitag hat das Gericht noch Zeit, um über die beiden Anträge der Nebenkläge­r vom ersten Verhandlun­gstag zu entscheide­n. Diese betreffen erstens die vorgeblich­e Befangenhe­it eines Schöffen, der einst selbst in Bottrop als Apotheker gearbeitet hatte. Zweitens aber steht die Frage der grundsätzl­ichen Zuständigk­eit im Raum. Derzeit verhandelt eine Wirtschaft­sstrafkamm­er, als zuständig betrachten die Nebenkläge­r aber vielmehr ein Schwurgeri­cht.

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