Schicksalsnacht einer Kanzlerin
Gemessen daran, dass Merkel einst als Umweltkanzlerin antrat, war ihr Auftritt bei der Weltklima-Konferenz in Bonn eher schwach. Doch gemessen daran, dass sie in den kommenden Wochen ein kompliziertes Bündnis aus Kohle-Befürwortern und Klima-Schützern schmieden möchte, die noch weit mehr trennt als der Streit um den Umweltschutz, hat sie eine konkrete Kompromisslinie vorgegeben: Ein JamaikaBündnis wird sich wie einst Rot-Grün beim AtomAusstieg einen klaren Fahrplan geben müssen, wie der klimaschädliche CO2-Ausstoß durch Kohle reduziert wird – und zwar in der laufenden Wahlperiode.
Der Kanzlerin steht von heute auf morgen eine Schicksalsnacht bevor. Nur wenn es ihr gelingt, in den vielen Streitfragen von Klima, Migration, innerer Sicherheit und Finanzen den Knoten zu durchschlagen, kann sie noch einmal vier Jahre regieren. Sollten die Verhandler von Union, FDP und Grünen am Freitagmorgen nicht erklären, dass sie die Grundlage für vier gemeinsame Regierungsjahre gefunden haben, dann steht auch Merkels Zukunft als Regierungschefin in Frage. Die viertgrößte Wirtschaftsmacht der Welt kann nicht ewig weitersondieren. Die Entscheidung über Jamaika muss in dieser Woche fallen. BERICHT MERKEL SETZT AUF WENIGER KOHLESTROM, TITELSEITE
Diese Nachricht wünscht sich keine Krankenkasse: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die AOK Rheinland wegen des Verdachts auf Betrug zulasten der Beitragszahler. Der Fall, um den es geht, ist kompliziert. Und für die AOK-Manager gilt die Unschuldsvermutung. Man kann nur hoffen, dass sie keinen Arzt zum Schlechter-Schreiben von Patienten anstiften ließen, sondern nur dafür sorgen wollen, dass Ärzte korrekte Diagnosen eintragen.
Es ist das gute Recht jeder Kasse, die Mittel einzutreiben, die ihr zustehen. Zugleich zeigt der Vorgang, wie krank das Finanzierungssystem ist. Erst war es so konstruiert, dass Kassen mit jungen und gesunden Mitgliedern profitieren. Dann sorgte eine Reform dafür, dass Kassen mit Alten und Kranken Vorteile haben. Das produziert Fehlanreize, der Wettlauf um Kranke lässt die Gesamtkosten explodieren. Auch für Versicherte birgt das Gefahren: Wer Privatpatient werden will, kann mit dramatisierten Vorgeschichten Probleme bekommen. Die Finanzreform wäre eine große Aufgabe für die Jamaika-Koalition. Wegen voller Kassen steht sie leider nicht im Fokus. BERICHT RAZZIA BEI DER AOK RHEINLAND, TITELSEITE
RKrankes System
Ende eines Diktators
obert Mugabe ist einer der am längsten regierenden Präsidenten der Welt. Das spricht für die politische Raffinesse dieses Ex-Guerillakämpfers, der das Apartheid-Land Rhodesien den Weißen entriss und daraus Simbabwe machte.
Doch in der langen Regierungszeit liegt auch viel Tragisches. Denn Mugabe verstand es vor allem, seine Gegner kaltzustellen. Ein Land aus den Trümmern eines Bürgerkriegs aufzubauen, haben er und seine Gefolgschaft nicht geschafft. Die Militärs haben jetzt die Notbremse gezogen und den Diktator unter Hausarrest gestellt. Das ist nicht sehr demokratisch, aber offenbar die einzige Möglichkeit, das einst reiche Land vor dem Ruin zu bewahren.
Mugabe hat mit seiner Frau, die gern Nachfolgerin werden möchte, und seinen alten Mitkämpfern eine korrupte Diktatur errichtet, die hoffentlich jetzt zu Ende geht. Leider haben die Militärs lange von den großzügigen Zuwendungen Mugabes gelebt, während das Volk Not litt. Ob sie jetzt freie Wahlen abhalten und eine Zivilgesellschaft aufbauen, ist fraglich. Bitter nötig wäre es. BERICHT