Rheinische Post Mettmann

Politik ist gegen Grabsteine aus Kinderarbe­it

- VON OLIVER WIEGAND

Auf Erkrather Friedhöfen sollen keine Steine stehen, die Kinder aus armen Ländern hergestell­t haben.

ERKRATH Eines der größten Vorkommen an Naturstein­en weltweit befindet sich in Indien. Im Süden des Landes wird unter anderem Granit für Grabsteine abgebaut, aber auch Pflasterst­eine, die in deutschen Städten liegen, kommen von dort. In den vergangene­n Jahren haben Hilfsorgan­isationen immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass in indischen Steinbrüch­en auch Kinder beschäftig­t werden, die bei bis zu 45 Grad im Steinbruch arbeiten müssen. Die Verletzung­sgefahr ist hoch, es soll keinen Lärmschutz gegen die Presslufth­ämmer geben. Dazu kommt, dass die Lebenserwa­rtung der Kinder aufgrund des ständigen Einatmens von Steinstaub nicht besonders hoch ist.

In Deutschlan­d kennt man dieses Problem seit langem, auch in Ländern wie Brasilien, China, Vietnam sowie auf den Philippine­n ist Kinderarbe­it beim Abbau von Steinen nicht ausgeschlo­ssen. Was hat das mit den Friedhöfen in Erkrath zu tun?

Die Stadt hat jetzt ihre Satzung für die städtische­n Friedhöfe angepasst. Neu aufgenomme­n sind etwa Passagen, in denen das Spielen, das Übernachte­n und das Betteln auf den Friedhöfen verboten ist. Doch es gibt noch eine Regelung, die noch keinen Eingang in die neue Friedhofsa­tzung gefunden hat. Im Bestattung­sgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen gibt es einen Absatz (§ 4a), nach dem das Aufstellen von Grabsteine­n verboten ist, bei denen der Verdacht der Anwendung von ausbeuteri­scher Kinderarbe­it besteht. Allerdings gibt es ein Problem, was die Umsetzung des Landesgese­tzes in den Kommunen angeht. Denn rein faktisch ist es derzeit nicht nachvollzi­ehbar, woher die Grabsteine geliefert werden. Der Gesetzgebe­r schreibt allerdings ein Prüfverfah­ren vor: Auf der ersten Stufe soll der Herkunftsn­achweis mit einer Positiv-Liste von Staaten abgegliche­n werden, in denen schlimmste Formen von Kinderarbe­it nicht auftreten.

Ist der Herkunftss­taat Bestandtei­l der PositivLis­te, kann das Material ohne weiteres zur Verwendung freigegebe­n werden. Ist der Herkunftss­taat nicht Bestandtei­l der Positiv-Liste, soll auf der zweiten Stufe eine Zertifizie­rung im Einzelfall durch eine anerkannte Zertifizie­rungsstell­e erfolgen.

Das Problem: Bislang existieren weder eine Positiv-Liste noch eine anerkannte Zertifizie­rungsstell­e. Um das zu ändern, gab die Landesregi­erung in den Jahren 2015 und 2016 mehrere Gutachten in Auftrag, um solche Staaten zu identifizi­eren, die in wesentlich­em Umfang in Betracht kommendes Material nach Deutschlan­d exportiere­n und in denen die Existenz schlimmste­r Formen von Kinderarbe­it nicht ausgeschlo­ssen erschien.

Es liegen nunmehr Gutachten vor, die zu dem Ergebnis kommen, dass für Brasilien, China, Indien, Vietnam sowie für die Philippine­n in der

Wolfgang Jöbges Tat nicht ausgeschlo­ssen werden kann, dass bei der Herstellun­g von Naturstein­material besagte schlimmste Formen von Kinderarbe­it vorkommen.

Demnach ist grundsätzl­ich damit zu rechnen, dass aus diesen Ländern eingeführt­e Grabmäler und Grabeinfas­sungen aus Naturstein künftig nur noch bei Zertifizie­rung der Unbedenkli­chkeit im Einzelfall verwendet werden dürfen. Demgegenüb­er ist die Türkei als unbedenkli­ch eingestuft worden, so dass insoweit eine Aufnahme in die Positiv-Liste in Betracht kommt. Das Problem: Wer kontrollie­rt die Kontrolleu­re? Wie kann kann man verhindern, dass Siegel gefälscht werden?

Satzungsbe­stimmungen zur Umsetzung des Gesetzes in Erkrath können jedoch sinnvoller­weise erst nach Vorliegen der Positiv-Liste und der Einrichtun­g einer anerkannte­n Zertifizie­rungsstell­e eingepfleg­t werden, sagte die Verwaltung im Rat, wo das Thema diskutiert wurde. Reinhard Knitsch von den Grünen setzte sich dafür ein, dass man in Erkath keine Grabsteine, die aus Kinderarbe­it gefertigt sind, auf den Friedhöfen aufstellen darf. Selbst als kleine Kommune müsse man ein Zeichen setzen, dass man so etwas nicht akzeptiere.

Es gebe Berichte von Hilfsorgan­isationen, nach denen mehr als die Hälfte aller deutschen Grabsteine aus Indien stammen sollen. Der Vorteil dieser Steine ist ihr Preis, denn sie sind bis zu einem Drittel günstiger. Wolfgang Jöbges von der CDU sagte, als Gemeinde seien einem da derzeit die Hände gebunden. So lange es keine Positiv-Listen gebe, könne man nichts tun. Nun sei erneut der Gesetzgebe­r gefragt, so Jöbges weiter.

„Uns als Kommunesin­d da die Hände gebunden“

CDU -Erkrath

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