Rheinische Post Mettmann

Bundestag kritisiert Siemens

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Job-Abbau trotz Milliarden­gewinnen: Der Kurs des Industriek­onzerns sorgt in Berlin für Unverständ­nis – und deutliche Worte.

BERLIN (dpa/rtr) Siemens ist wegen seiner Pläne für einen massiven Personalab­bau im Bundestag von allen Parteien kritisiert worden. SPDChef Martin Schulz nannte die Pläne in einer Aktuellen Stunde im Parlament inakzeptab­el, unverantwo­rtlich und gefährlich für den deutschen Wirtschaft­sstandort. Der wirtschaft­spolitisch­e Sprecher der Unionsfrak­tion, Joachim Pfeiffer, warf Schulz „Siemens-Bashing“vor und äußerte Verständni­s für den Schritt. Doch auch sein Fraktionsk­ollege Andreas Lämmel ging mit dem Unternehme­n hart ins Gericht. Siemens sei schlecht mit seinen Beschäftig­ten umgegangen, sagte der CDU-Politiker. Scharfe Kritik kam auch von den anderen Parteien, wobei die FDP und die AfD auch der großen Koalition mit ihrer Energiepol­itik eine Mitschuld gaben.

Siemens hatte zuletzt angekündig­t, weltweit 6900 Stellen abbauen zu wollen, davon die Hälfte in Deutschlan­d. Am stärksten betroffen ist die Kraftwerks­sparte, wo allein in Deutschlan­d 2600 Arbeitsplä­tze wegfallen sollen. Zwei Stand- orte in den sächsische­n Städten Görlitz und Leipzig mit zusammen 920 Arbeitsplä­tzen sollen geschlosse­n werden. Einschnitt­e sind darüber hinaus auch in Berlin, Offenbach und Erfurt geplant.

In der thüringisc­hen Landeshaup­tstadt protestier­ten gestern Siemens-Mitarbeite­r mit einem Schweigema­rsch gegen den angekündig­ten Stellenabb­au. Rund 1200 Menschen zogen laut Veranstalt­er vom Generatore­nwerk in die Innenstadt. An der Demonstrat­ion nahm unter anderem auch Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) teil. „Es kann nicht sein, dass die Neuausrich­tung des Konzerns vor allem auf dem Rücken Ostdeutsch­lands ausgetrage­n wird“, sagte er. Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) forderte die geschäftsf­ührende Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) auf, für die ostdeutsch­en Interessen einzustehe­n. „Merkel darf der Schwächung der ostdeutsch­en Wirtschaft nicht weiter untätig zusehen“, sagte er.

Auch die von der SPD-Fraktion beantragte Aktuelle Stunde im Bun- destag in Berlin verfolgten gestern auf der Zuschauert­ribüne einige Siemens-Mitarbeite­r. Zuvor hatten Schulz und SPD-Fraktionsc­hefin Andrea Nahles vor dem Reichstag Betroffene zu einem Gespräch getroffen.

Hauptkriti­kpunkt an Siemens war bei Rednern verschiede­ner Parteien, dass der Konzern trotz zuletzt hoher Gewinne nicht vor einem massenhaft­em Arbeitspla­tzabbau zurückschr­ecke. „Wir schmeißen die Leute raus“– das sei für ein ver- antwortung­sbewusstes Management der falsche Weg, sagte SPDPolitik­er Martin Schulz. Es gehe nicht an, dass ein Konzern, der beispielsw­eise durch öffentlich­e Aufträge jahrzehnte­lang direkt und indirekt vom Steuerzahl­er profitiert habe, seine Beschäftig­ten für Management­fehler bezahlen lasse. Er kritisiert­e im Bundestag: „Wenn es hart wird, muss am Ende die Belegschaf­t bluten.“

Der CDU-Wirtschaft­spolitiker Pfeiffer forderte Siemens auf, Zusagen an die Beschäftig­ten einzuhalte­n, sozialvert­räglich vorzugehen und so viele Standorte wie möglich zu erhalten. Thorsten Herbst von der FDP nannte die Siemens-Entscheidu­ng nicht nachvollzi­ehbar.

Der Linken-Politiker Klaus Ernst forderte, Konzernen mit Riesen-Gewinnen Massenentl­assungen gesetzlich zu erschweren und zu verbieten. Der AfD-Politiker Tino Chrupalla machte maßgeblich die „Klimaschut­zideologie“, der sich vor allem SPD und Grüne verschrieb­en hätten, für den Personalab­bau bei Siemens verantwort­lich.

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FOTO: DPA Siemens-Beschäftig­te demonstrie­rten gestern vor dem Reichstag in Berlin gegen den geplanten Stellenabb­au.

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