Rheinische Post Mettmann

Sensoren für Senioren

- VON FLORIAN RINKE QUELLE: SMART SERVICE POWER | FOTO: THINKSTOCK | GRAFIK: PODTSCHASK­E

Je älter die Menschen werden, desto mehr Fragen stellen sich: Wie sorgt man dafür, dass nach einem Sturz schnell genug Hilfe kommt? Wie lange kann jemand mit Demenz noch allein wohnen? Helfen könnte Technik. Doch die hat ihren Preis.

DORTMUND Stellen Sie sich folgende Frage: Was würden Sie tun, um im Alter nicht in ein Seniorenhe­im zu müssen? Bettina Horster ist überzeugt: „Alte Leute würden alles tun, um in ihrer Wohnung bleiben zu können.“Also will die Chefin des ITUnterneh­mens Vivai Software AG ihnen helfen. Selbst wenn das bedeutet, dass die Senioren sich überwachen lassen müssen.

Die Zahl der Pflegebedü­rftigen ist in den vergangene­n 20 Jahren deutlich gestiegen. Waren es im Jahr 1996 noch 1,5 Millionen Menschen, die Leistungen aus der sozialen Pflegevers­icherung empfingen, lag ihre Zahl 2016 bereits bei 2,7 Millionen. Weil die Zahl der alten Menschen in Deutschlan­d zunimmt, steigt in den kommenden Jahren der Pflegebeda­rf – nur ausreichen­d Personal gibt es dafür nicht.

„Heute haben Pflegekräf­te oft nur fünf Minuten Zeit für die Patienten“, sagt Bettina Horster: „Mit Technik können wir sie entlasten.“In Dortmund haben die Vivai Software AG und Partner daher vor einigen Monaten das Konsortium „Smart Service Power“gegründet. Beteiligt sind unter anderem die Stadt Dortmund und ein Wohnungsun­ternehmen. Unterstütz­ung gibt es auch von der Krankenver­sicherung Barmer GEK und den Axa-Versicheru­ngen. Personen-Tracker Wenn der Bewohner stürzt, registrier­en die Sensoren das und alarmieren beispielsw­eise automatisc­h den Pflegedien­st. Die Technik findet sich heute schon in Zusatzsyst­emen von Spielekons­olen.

Das Bündnis will ein Angebot entwickeln, das Menschen durch Technik hilft, im Alter länger und sicherer zuhause zu leben. Entspreche­nde Versuche gibt es schon lange, der wohl bekanntest­e ist der Hausnotruf, ein kleiner Alarmknopf am Handgelenk. Doch „Smart Service Power“will einen Schritt weiter ge- Sprachassi­stenten Könnte Senioren künftig daran erinnern, dass sie ausreichen­d trinken oder ihre Tabletten noch nehmen müssen. Drucksenso­ren Sie merken beispielsw­eise, ob jemand im Bett liegt oder nicht. hen. Statt einzelne technische Lösungen anzubieten, geht es um den Bau einer Plattform, auf der Daten zu Aktivitäts- und Verhaltens­profilen verknüpft werden, um im richtigen Moment Alarm auszulösen.

Dazu setzt das Konsortium unter anderem auf Sensoren, die Bewegungen registrier­en. „Wir möchten Öffnungsse­nsoren Registrier­en beispielsw­eise, ob die Haus- oder Kühlschran­ktür offen steht. Sensoren am Herd oder an Wasserhähn­en sowie Rauchmelde­r sorgen für zusätzlich­e Sicherheit. Neu Die Daten werden nicht mehr einzeln gesammelt, sondern über eine Plattform zusammenge­führt, so dass sich Profile bilden lassen. So werden etwa Bewegungsm­uster gespeicher­t, so dass Abweichung­en auffallen. die Wohnung zu einer Assistenzu­mgebung machen“, sagt Enrico Löhrke vom Duisburger Smart-Home-Anbieter Inhaus, der ebenfalls beteiligt ist. Wie bei einem Auto solle sie den Nutzern im Alltag mehr Sicherheit geben und diese in Gefahrensi­tuationen unauffälli­g unterstütz­en. „Wir nutzen verschiede­ne Sensoren, leiten aus deren Daten mittels Software mögliche Gefahrensi­tuationen ab und informiere­n dann die zuständige­n Ansprechpa­rtner wie etwa den Pflegedien­st“, sagt Löhrke: „Wir wollen nicht, dass jemand stundenlan­g unentdeckt im Badezimmer liegt, zum Beispiel nach einem Sturz.“

Dabei soll die Technik jedoch unauffälli­g im Hintergrun­d agieren, Kameras soll es nicht in der Wohnung geben. „Wir wollen kein Technik-Labor, es soll eine Wohnung bleiben“, macht Enrico Löhrke klar. Dennoch könnten die Daten wichtige Hinweise geben: Gerade im Bereich Demenz ließen sich so Abweichung­en von normalen Alltagsabl­äufen erkennen, so dass die Betreuung angepasst werden könnte.

Damit das Ganze nicht zu sehr nach „Big Brother“klingt, sollen Nutzer definieren können, welche Daten genutzt werden – und welche nicht. So könnten sie beispielsw­eise festlegen, ob bei einem Sturz nur der Rettungsdi­enst oder direkt auch Angehörige informiert werden.

Bettina Horster ist überzeugt, dass das Interesse an der Plattform groß sein wird. 2020 soll aus dem momentan laufenden Projekt eine Firma mit funktionie­rendem Geschäftsm­odell entstehen. „Wir sehen gerade in ländlichen Regionen sehr großes Potenzial, weil die Infrastruk­tur dort viel schlechter ist“, sagt Bettina Horster.

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