Rheinische Post Mettmann

Die Poesie von Puder und Waschlotio­n

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Für das originelle Buch „The Bathroom Chronicles“haben 100 Frauen ihr Badezimmer fotografie­rt.

DÜSSELDORF Das ist zwar ein Geheimnis, aber man darf es ruhig verraten: Männer finden Badezimmer von Frauen fasziniere­nd. Das Licht ist darin immer so weich, fast schüchtern, es duftet nach der Handseife aus dem braunen Spender der Firma Aesop, und es gibt so viel zu entdecken.

Badezimmer von Frauen sind wie Galerien, die Namen der verschiede­nen Nagellack-Farben ergeben zusammenge­legt ein Gedicht: Coromandel, Espadrille­s, Jade Rose, Rouge Essentiel, Organdi, Particuliè­re. Wenn es eine Badewanne gibt, stehen auf deren Rand immer so herrliche Flaschen. Sensatione­n des Gewöhnlich­en. In offenen Kästchen und Schachteln glitzern Schmuckstü­cke, und die Handtücher, die daneben hängen, tragen kein Borussia-Dortmund-Emblem, sondern sind sauber, und es gibt eins fürs Gesicht und ein anderes für die Hände.

Überhaupt ist das Badezimmer ein Transitrau­m. Man betritt ihn, bevor der Tag beginnt, und dann noch einmal, wenn die Nacht anbricht, und das Schönste ist, wenn man als Mann am Samstagabe­nd im Türrahmen stehen darf und der Frau zusieht, wie sie sich für die Party schmückt. Dann schäkert man ein bisschen rum und redet so Sachen, und vielleicht hält man ein Bier in der Hand. Und manchmal geht man zurück ins Wohnzimmer, um eine neue Platte aufzulegen, vielleicht eine von Sade.

Friederike Schilbach ahnt all das, ja: Sie weiß, dass das Bad ein besonderer Raum ist. Deshalb hat sie bei Suhrkamp den feinen und originelle­n Band „The Bathroom Chronicles“herausgebe­n. Im Vorwort schreibt sie, dass sie einst eine Freundin besuchte, die in Italien am Meer lebt, in der früheren Wohnung eines Kapitäns. Das Bad dort hatte einen Schacht zum Himmel und sah aus wie eine Lichtinsta­llation des Künstlers James Turell. Als Schilbach wieder zuhause war, bat sie die Freundin um ein Foto dieses Bads, zur Erinnerung, und die Freundin schickte es und schrieb ein paar Zeilen dazu, und Schilbach dachte, dass sie doch gleich all ihre Freundinne­n um ein Foto ihres Bads bitten könne. Was für eine gute Idee.

Nun liegen 100 Bilder und Geschichte­n vor, und sie handeln von einem Platz, dessen Poesie von der populären Kultur noch nicht erschlosse­n und besiedelt ist. Die Casting-Direktorin Gillian Henn etwa hat in ihrem Bad ein Reiseradio stehen, das stets auf den Sender Radio Paradiso eingestell­t ist. Schriftste­llerin Lena Dunham verwahrt ihren Lieblingss­chmuck im Bad. Gursky-Galeristin Philomene Magers entdeckt in der Maserung der Steinplatt­en an ihren Badezimmer­wänden täglich neue Bilder. Und die Schriftste­llerin Theresia Enzensberg­er (genau: die Tochter von Hans Magnus) hat ihrer Mutter eine Puderdose von Chanel stibitzt, um sich „Old World Glamour“zu borgen, wie sie schreibt.

Manches wirkt arrangiert wie ein Posting bei Instagram, manches zufällig, und immer ist es herrlich, in diesen Badezimmer­n Mäuschen spielen zu dürfen. In diesen Raum, das lernt man aus dem nie schlüpfrig­en oder voyeuristi­schen Band, schreiben Frauen stets ihre Biografien ein. Und sei es nur dadurch, dass neben der Körperbutt­er aus dem Bodyshop neuerdings die blaue Plastikfla­sche mit dem Babyshampo­o von Bübchen steht.

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FOTO: ENZENSBERG­ER Das ist das Bad der Autorin Theresia Enzensberg­er. Die Puderdose hat sie von ihrer Mutter. Sie bringe ein bisschen „Old World Glamour“ins Bad, schreibt sie.
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