Rheinische Post Mettmann

Zum Wegwerfen viel zu schade

- VON DANIELE FUNKE

Einmal im Monat können Bürger im Repaircafé der Freien Aktiven Gesamtschu­le defekte Geräte kostenlos reparieren lassen.

WÜLFRATH Journalist Hans-Joachim Kling wollte eigentlich nur eine Reportage über das Repaircafé schreiben, aber dann hatte seine Gattin eine Idee: Nimm doch einfach den defekten Staubsauge­r mit. „Also, Jungs, gebt alles“, sagt Kling scherzarti­g zu den anwesenden Schülern, „sonst gibt’s heute Abend Ärger.“Tom lacht, dann beginnt der Fünftkläss­ler mit der Anamnese des in die Jahre gekommenen Siemens Super XS.

„Ich sehe, ein Standard-Modell“, erkennt der Zehnjährig­e und stellt das Gerät auf den Tisch vor sich. „Was hat er denn für Macken?“„Der Klassiker“, antwortet Hans-Joachim Kling, „er zieht das Kabel nicht mehr ein.“Gemeinsam mit Uta Wittekind, einer Mutter, schraubt Tom die Abdeckung auf und wirft dem Eigentümer einen ernsten Blick zu. „Der Filter ist aber lange nicht gesäubert worden.“

Dann pustet der kleine Tüftler ein wenig Staub zur Seite und legt erst die Platine und dann die Feder frei. Der Gesamtschü­ler betrachtet sie von allen Seiten, dann folgt eine erste Diagnose: „Die Feder schwächelt.“Hans-Joachim Kling schluckt unterdesse­n. Wie wird sei- ne Frau diese Hiobsbotsc­haft auffassen?

Egal, ob das Bügeleisen nicht mehr aufheizt, die Kaffeemasc­hine nur noch braune Brühe produziert oder der Toaster nicht mehr rösten will: die freiwillig­en Schüler und Eltern des Repaircafé­s der Freien Aktiven Gesamtschu­le gehen stets mit großer Genauigkei­t, viel Geduld und vor allem mit viel Leidenscha­ft vor und werden dabei von Matthias Wunderlich begleitet. Der Lehrer für Arbeitsleh­re, Technik, Mathe und Physik unterstütz­t vor allem die jungen Tüftler da, wo sie nicht weiterkomm­en, gibt Gedankenim­pulse, macht Vorschläge. „An unserer Schule verfolgen wir ja eh das Konzept ,hilf mir, es selbst zu tun’“, erläutert Wunderlich, „nur so lernen die Kinder wirklich etwas.“

Tom liebt es, Probleme auf den Grund zu gehen. „Ich habe schon immer viel mit meinem Papa gewerkelt und kann das hier ganz toll fortführen“, sagt der Zehnjährig­e, während er sich ausgiebig der Feder widmet, verschiede­ne Dinge daran ausprobier­t, sie schmiert.

Theodor Waldeyer packt ihm freundlich auf die Schulter. „Denke nur immer dran, diese Feder ist extrem empfindlic­h.“Der ehemalige Fahrdienst­leiter beim Stellwerk der Deutschen Bahn hat einen Enkel an der Gesamtschu­le, und auch der alte Herr liebt es, sein Wissen auch im Ruhestand an andere weiterzuge­ben. „Das ist das Schöne, wir beraten mit vielen, jeder bringt seine Kenntnisse ein und am Ende können wir fast alles reparieren.“

Ramona Matthews ist die Leiterin des Cafés, hat selbst ein Kind an der Gesamtschu­le. Für sie hat das ganze Projekt einen enorm hohen pädagogisc­hen Wert. „Wir leben in einer Wegwerfges­ellschaft, gerade im Bereich Elektronik. Und Kinder wachsen auch so auf, dass alles neu gekauft wird. Es ist wichtig, dass Kinder wieder lernen, Dinge zu reparieren.“

Der Siemens Super XS stellt die großen und kleinen Techniker allerdings vor eine wirkliche Herausford­erung. „Wir denken, wir müssen eine neue Feder bestellen“, resümiert Tom, „aber die wird es vielleicht einzeln nicht geben.“HansJoachi­m Kling zeigt sich stark, schaut den Tatsachen ins Auge. „Sagt es doch gleich: es handelt sich um einen wirtschaft­lichen Totalschad­en. Richtig?“

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