Rheinische Post Mettmann

Trockene Alkoholike­rin hilft Suchtkrank­en

- VON MAREN KÖNEMANN

Durch ihre eigene Erkrankung kam sie zum Kreuzbund Mettmann. Nun leitet Susanne Reitmeier (52) die Selbsthilf­egruppe für Suchtkrank­e- und gefährdete seit gut fünf Jahren ehrenamtli­ch.

METTMANN Sie rückt noch schnell die Tische beiseite und die Stühle zu einem Kreis zusammen, und dann kann es losgehen. Freudig erwartet Susanne Reitmeier (52) die Mitglieder ihrer Kreuzbundg­ruppe in Mettmann für die wöchentlic­he Sitzung.

Susanne Reitmeier

Man kennt sich gut, die meisten kommen schon seit zwanzig, dreißig oder gar vierzig Jahren zu den gemeinsame­n Treffen, um sich mit ihrer Suchterkra­nkung auseinande­rzusetzen, um zu lernen, mit ihr zu leben, und um anderen dabei zu helfen. Die Arten der Suchterkra­nkungen, die die Mitglieder zu einem Teil der Gruppe machten, sind hauptsächl­ich von einer Substanz wie Cannabis, Alkohol oder Kokain bestimmt. Die Auseinande­rsetzung mit der eigenen Erkrankung ist, genau wie die Krankheit selbst, ein lebenslang­er Prozess.

Hilfe bei diesem Prozess bekommt beim Kreuzbund Mettmann jeder, auch Angehörige können kommen. Während der Treffen wird dann vor allem über Gefühle gesprochen – Gefühle, die niemand sonst jemals verstehen könnte. „Wo soll der Abhängige seine Gedanken lassen? Beim Partner? Der versteht sie nicht, weil er sie nicht kennt. Selbst der Therapeut ist ja nicht abhängig“, erklärt Susanne Reitmeier, „wir sind als Gruppe diejenigen, die das größte Potential an Verständni­s für irgendwelc­he Gefühle dieser Art haben können. Und das ist Hilfe zur Selbsthilf­e“.

Und die Gruppenlei­terin weiß genau, wovon sie spricht. Auch sie arbeitet daran, mit ihrer Erkrankung zu leben. „Natürlich bin ich auch ein Teil der Gruppe. Sie trägt mich mit“, sagt sie. Ihr Weg in den Kreuzbund Mettmann begann mit ihrem Rückfall. Davor konsumiert­e sie zehn Jahre lang Drogen – erst Alkohol, dann Amphetamin­e und Kokain. Schnell ging es abwärts. „Als die illegalen Drogen dazukamen, merkte man den Verfall extrem“, erinnert sie sich. Eigentlich war das Thema Alkohol für sie immer tabu gewesen. „Meine Mutter ist Alkoholike­rin. Mit 17 habe ich sie in die Entgiftung begleitet“, sagt sie, „deswegen habe ich nicht konsumiert, bis ich 28 war“. Dann kam der Job, eine 60-Stunden Woche mit Schichtarb­eit, unzählige schlaflose Nächte und der lang gehegte Kinderwuns­ch, der unerfüllt blieb. Die Drogen halfen Susanne Reitmeier, im Job und im Leben weiter zu funktionie­ren. Sie selbst war es, die sich schließlic­h bei ihrem Arzt meldete und nach einer Entgiftung fragte.

Heute ist Susanne Reitmeier mit sich im Reinen, ihrer Abstinenz sicher und redet ganz offen über ihre Suchterkra­nkung. Zudem hat sie sich ihren größten Wunsch erfüllt: die Arbeit mit Kindern. Als Inklusions­helferin begleitet sie eingeschrä­nkte Kinder in Regelschul­en. „Jetzt gehe ich sozusagen wieder in die zweite Klasse“, sagt sie und lacht dabei herzlich. Auch ihr ehrenamtli­ches Engagement beim Kreuzbund gehört jetzt zu ihrem Leben: „Ich kann mir mein Leben nicht mehr ohne Gruppe vorstellen“.

„Als die illegalen Drogen dazukamen, merkte man den Verfall extrem“

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RP-FOTO: DIETRICH JANICKI Susanne Reitmeier ist eine engagierte und sie weiß, wie schwierig es ist, von einer Sucht loszukomme­n. Sie konsumiert­e zehn Jahre lang Drogen .

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