Rheinische Post Mettmann

Fahrverbot­e sind unverhältn­ismäßig

- VON MARTIN KESSLER VON EVA QUADBECK VON GEORG WINTERS ANTON SCHLECKER BLEIBT FREI, SEITE B 1

Fahrverbot­e sind das schärfste Schwert in der Umweltpoli­tik. Wer sie verhängt, muss gute Gründe haben. Es reicht nicht aus, auf mögliche langfristi­ge Gefahren für die Gesundheit hinzuweise­n. Denn danach müssten auch der Einsatz von Plastiktüt­en, der Tabakkonsu­m oder ältere Heizungsan­lagen verboten werden, die alle nicht gerade förderlich für die Umwelt sind.

Die Politik kommt nicht darum herum, Gefahren einer erhöhten Schadstoff­konzentrat­ion mit dem Verlust an Mobilität für Pendler, Handwerker, Taxifahrer oder Lieferante­n abzuwägen. Dabei gilt zunächst, dass die EU-Werte an vielen Messstatio­nen nicht eingehalte­n werden. Allerdings ist nicht der Stickstoff­wert an sich gefährlich (Gasherde sind schädliche­r), sondern die gesamte Schadstoff­konzentrat­ion, die sich am Stickstoff­wert misst.

Die Überschrei­tung der EU-Grenzwerte muss deshalb die Politik auf den Plan rufen. Da reicht es nicht wie jetzt beim Dieselgipf­el, dass vor allem der Steuerzahl­er für die Umrüstung aufkommt. Der Verursache­r sollte herangezog­en werden – etwa durch eine höhere Kfz- oder Emissionss­teuer. Dafür fehlt aber der politische Mut. Und so müssen am Ende wohl alle Dieselfahr­er zahlen, egal wie viel ihre Wagen ausstoßen. BERICHT FAHRVERBOT­E KAUM NOCH ZU VERHINDERN, TITELSEITE

Die Entscheidu­ng auf Brüsseler Ebene, die Genehmigun­g für das Unkrautver­nichtungsm­ittel Glyphosat zu verlängern, ist Gift für die Bemühungen von Union und SPD, nun doch die große Koalition neu aufzulegen. Im Kanzleramt weiß man das und distanzier­t sich vorsichtig mit dem Hinweis, es habe sich um eine Entscheidu­ng des Ressortmin­isters gehandelt.

Bei der Entscheidu­ng geht es um mehr als um einen fachpoliti­schen Streit in der Bundesregi­erung. Der Landwirtsc­haftsminis­ter hat das Machtvakuu­m der geschäftsf­ührenden Regierung eiskalt ausgenutzt, seine Überzeugun­g in Brüssel durchzuset­zen. Dass sich die SPD über diesen Vorgang empört, ist nachzuvoll­ziehen. Die Sozialdemo­kraten stehen blöd da. Während sie gerade versuchen, die Preise für eine große Koalition munter in die Höhe zu treiben, deutet der Landwirtsc­haftsminis­ter mit einem Fingerzeig in Brüssel an, wer auch im Fall einer Erneuerung der großen Koalition Koch ist und wer Kellner. Die Union wird ihre bestimmend­e Rolle in diesem Bündnis niemals aufgeben. BERICHT „GROKO“-EKLAT UM GLYPHOSAT, TITELSEITE

FGift für große Koalition

Schlecker kommt davon

ormaljuris­tisch ist an den Urteilen im Schlecker-Prozess nichts zu deuteln. Allen, die nun schäumen vor Wut ob der milden Strafe für den unsympathi­schen Herrscher von einst, sei gesagt: Erstens ist Anton Schlecker nicht als Pleitier verurteilt worden, dessen unfassbare­s Geschäftsg­ebaren in den Firmenkoll­aps führte, sondern als jemand, der bewusst Vermögen verschob, um es dem Zugriff von Gläubigern zu entziehen. Zweitens: Auch weil der bezifferba­re Schaden mehr als wiedergutg­emacht wurde, kommt Schlecker glimpflich davon.

Das juristisch­e Fazit zeigt aber nur eine Seite. Die andere: Es fällt schwer zu glauben, dass alles das, was die Kinder getan haben, ohne Wissen und Zutun ihres Vaters geschah. Im Schlecker-Imperium ging jahrzehnte­lang nichts ohne den Patriarche­n, der die Fäden zog. Deshalb trägt er faktisch an den Gefängniss­trafen für seine Kinder Mitschuld. Man wird auch abseits jeder Form von Populismus das Gefühl nicht los, Schlecker sei davongekom­men. Ein fader Beigeschma­ck bei jemandem, dessen Egomanie Tausende ihrer Existenzgr­undlage beraubt hat. BERICHT

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