Mehr Ganztag, mehr Verbindlichkeit
Deutsche Grundschüler liefern seit 15 Jahren ordentliche Leseleistungen ab. Das ist die gute Nachricht der neuen Vergleichsstudie Iglu. Es ist auch schon fast die einzige gute Nachricht. Denn die Leistungen stagnieren, Deutschland fällt zurück, vor allem aber wird die Kluft zwischen guten und schlechten Lesern größer.
Wer das alarmierend nennt, hat recht. Dieses Auseinanderfallen zu stoppen, wird sehr viel Geld kosten, das allein aus Mitteln der Bundesländer kaum aufzubringen sein dürfte. Nötig ist etwa der Ausbau der Ganztagsbetreuung; und wir sollten uns eine ehrliche Debatte leisten, ob es reicht, wenn diese Angebote freiwillig sind. Dass NRW wieder auf höhere Verbindlichkeit setzt, etwa mit einem Grundwortschatz, ist richtig, ebenso der Plan, in Problemvierteln besonders gut ausgestattete Schulen einzurichten.
Was es zudem braucht, ist der politische Wille, Lernmethoden konsequent und regelmäßig wissenschaftlich überprüfen zu lassen. Wirksamkeit muss die oberste Maxime heißen. Das wiederum erfordert langen Atem und eine gewisse Ideologieresistenz. Beides verbindet man bisher eher nicht mit Schulpolitik. Zeit, dass sich das ändert – bildungspolitische Freiarbeit können wir uns nicht mehr leisten. BERICHT
Eigentor bei RWE
Die Energiebranche war schon immer höchst politisch. Die Spielregeln, die der Staat für Erzeugung, Netze und Haftung setzt, haben großen Einfluss aufs Geschäft. Entsprechend eifrig versuchen Konzerne, Einfluss zu nehmen – nicht immer auf zulässige Weise. RWE hatte in der Vergangenheit schon manchen Ärger: Beiräte sicherten Posten für kommunale Vertreter, RWE-Mitarbeiter, die als Abgeordnete oder Generalsekretär Karriere machten, wurden weiter bezahlt. Dafür bezog RWE viel Prügel und wurde sensibler. Umso erstaunlicher ist es, dass der Konzern beim Zweckverband Garzweiler nun so ungeschickt agiert. Es ist zwar lobenswert, dass RWE sich über Pflichtaufgaben wie die Rekultivierung hinaus für die Region engagiert, ein Vertrag, der Rechte und Pflichten regelt, ist nicht verwerflich. Sich dabei aber Wohlverhalten und Kritikverzicht der Politik zusichern zu lassen, geht natürlich gar nicht. Wer auch immer bei RWE den (inzwischen korrigierten) ersten Vertragsentwurf aufgesetzt hat, hat den Konzern ohne Not dem Vorwurf ausgesetzt, die Politik kaufen zu wollen. Ein Eigentor. BERICHT
Trump sabotiert Nahost
Donald Trump hat allen Warnungen zum Trotz genau das getan, was er im Wahlkampf versprochen hatte: Die US-Botschaft in Israel wird von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt. Zwar gibt es bereits seit 1995 ein amerikanisches Gesetz, das die Regierung grundsätzlich zu diesem Schritt verpflichtet, aber alle US-Präsidenten haben seither von ihrem Recht Gebrauch gemacht, seine Umsetzung zunächst auszusetzen. Mit gutem Grund: Die Botschaftsverlegung impliziert die Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt und stößt die Palästinenser vor den Kopf, die den Ostteil für sich reklamieren.
Mit dieser Entscheidung sabotiert Trump seine eigenen Bemühungen um eine Lösung für den NahostKonflikt, mit der er nur zu gerne in die Geschichtsbücher eingegangen wäre. Schlimmer noch: Er provoziert neue Gewalt. Der radikalislamistischen Hamas und anderen Extremistengruppen liefert er einen willkommenen Vorwand, eine neue Intifada vom Zaun zu brechen. Man wird Trump das alles erklärt haben, aber offenbar war ihm der Applaus eines Teils seiner Wähler wichtiger. America first, mal wieder. BERICHT US-BOTSCHAFT SOLL NACH JERUSALEM, TITELSEITE