Rheinische Post Mettmann

Staat bekämpft Gefahr von Links

- VON EVA QUADBECK UND THOMAS REISENER

BERLIN/DÜSSELDORF Die Ausschreit­ungen während des G20-Gipfels in Hamburg hatten gestern erneut ein Nachspiel. In acht Bundesländ­ern durchsucht­e die Polizei Wohnungen von 22 Beschuldig­ten. Allein in NRW wurden zehn Wohnungen durchsucht. Die Beamten fahndeten nach Hinweisen, wer am 7. Juli im Hamburger Stadtteil Bahrenfeld Steine und andere Gegenständ­e auf Bundespoli­zisten warf.

Die Demonstrat­ionen gegen den G20-Gipfel Anfang Juli waren übel eskaliert. 150 bis 200 vermummte radikale Gipfelgegn­er lieferten sich stundenlan­ge Schlachten mit der Polizei, plünderten Geschäfte und zündeten Autos an. Die Polizei zählte rund 500 verletzte Polizisten. Die linksextre­mistischen Gewalttäte­r waren aus dem In- und Ausland angereist. Sie gelten als besonders gut vernetzt.

Die Razzia gestern im linksextre­mistischen Milieu war die größte seit Jahren. Insgesamt waren 583 Polizisten im Einsatz. Von Verhaftung­en oder wesentlich­en Funden wurde gestern allerdings nichts bekannt – was ungewöhnli­ch ist: Üblicherwe­ise präsentier­t die Polizei im Anschluss an solche Einsätze auch erste Erfolge. Im Umfeld der Sicherheit­sbehörden hieß es gestern, möglicherw­eise sei die Szene vor den Razzien gewarnt worden. So soll es eine Twitter-Meldung gegeben haben, die vor bevorstehe­nden G20-Durchsuchu­ngen gewarnt haben soll.

Wohl auch, weil der Erfolg der Razzien gestern unklar war, entbrannte eine Debatte um die Verhältnis­mäßigkeit des Einsatzes. Die innenpolit­ische Sprecherin der Grünen im Landtag, Verena Schäffer, sagte: „Erst Wochen nach dem G20-Gipfel mit bundesweit­en Razzien Belege für Straftaten finden zu wollen, wirft Fragen auf.“Warum so spät, fragte sich gestern nicht nur Schäffer: „Wir werden uns die Ergebnisse dieser Razzien sehr genau ansehen und prüfen, ob diese Ergebnisse das Vorgehen der Strafverfo­lgungsbehö­rden rechtferti­gen.“

Innenstaat­ssekretär Günter Krings (CDU) begrüßte die bundesweit­en Durchsuchu­ngen hingegen und forderte ein schärferes Vorgehen gegen Linksextre­mismus insgesamt. „Es ist gut, dass die Razzien bundesweit stattgefun­den haben. Gegen den Linksextre­mismus muss genauso mit allen Mitteln vorgegange­n werden, wie sie auch gegen andere extremisti­sche Szenen wie Rechtsextr­emismus und Islamismus eingesetzt werden“, sagte Krings unserer Redaktion.

Insgesamt seien einige Behörden im Kampf gegen den Linksextre­mismus in der Vergangenh­eit zu zurückhalt­end gewesen. Um so furchtbare Taten wie während des G20-Gipfels in Hamburg zu vermeiden, müssten „selbstvers­tändlich gegen die linksextre­mistische Szene sämtliche Möglichkei­ten der Aufklärung eingesetzt werden – wie die Überwachun­g von Kommunikat­ion und der Einsatz von V-Leuten“.

Auch NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) unterstütz­te den Einsatz. „Auf dem linken Auge dürfen wir genauso wenig blind sein wie auf dem rechten“, sagte Reul. Wer zu Gewalt greife, dem fehlten Argumente. „Die NRW-Sicherheit­sbehörden gehen sehr entschiede­n und wo nötig auch sehr robust gegen gewaltbere­ite Linksextre­misten vor.“

Erst am Wochenende hatte der NRWInnenmi­nister eine deutliche Warnung an die Demonstran­ten im Hambacher Forst ausgesproc­hen, wo es zuletzt zu gewaltsame­n Auseinande­rsetzungen zwischen Braunkohle-Gegnern und der Polizei gekommen war. Ein Teil der Demonstran­ten im Hambacher Forst wird ebenfalls der linksauton­omen Szene zugeordnet, die dort gegen die Rodung des Waldgebiet­es demonstrie­rt, die den Ausbau des Braunkohle­abbaus vorbereite­n soll.

Günter Krings (CDU) Auch ihnen drohte Reul mit einem robusten Polizeiein­satz. Im Umfeld des NRW-Innenminis­teriums hieß es gestern allerdings, zwischen den Hamburger G20-Demonstran­ten und den Aktivisten im Hambacher Forst gebe es nur geringe personelle Überschnei­dungen.

Der NRW-Verfassung­sschutz geht nach Angaben des Innenminis­teriums von rund 1000 gewaltbere­iten Linksextre­misten in NRW aus. Das Gewaltpote­ntial der Szene sei in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Das habe sich eben auch an den gewalttäti­gen Übergriffe­n auf die Polizei und an gezielten Sabotageak­ten bei den Protesten um den Hambacher Forst gezeigt. „Das von friedliche­n Aktivisten getragene Thema Klimaschut­z wurde von gewaltbere­iten Linksextre­misten gekidnappt und als Vorwand für Gewalt missbrauch­t“, sagte ein Sprecher des Innenminis­teriums. Auch wenn die Täter in Hamburg andere als im Hambacher Forst seien, glichen sich die Aktionsfor­men zum Teil. Als Beispiel nennt das NRW-Innenminis­terium die sogenannte „Fingertech­nik“, mit der Polizeiket­ten planvoll koordinier­t in verschiede­ne Richtungen durchbroch­en würden. Auch bei der Mobilisier­ung der Aktivisten im Vorfeld gebe es Parallelen. So werden die Aktionen als „ziviler Ungehorsam“propagiert und verharmlos­t. Infolge der Ausschreit­ungen von Hamburg schloss sich eine Debat- te an, ob der Staat und Behörden, möglicherw­eise zu lax mit dem Pro- blem des Linksextre- mismus umgehen. Auch Politiker von CDU und FDP in NRW hatten mehrfach entspreche­nde Vorwürfe erhoben. Die schwarz-gelbe Landesregi­erung in NRW wird deshalb kaum anders können, als mögliche Gewaltexze­sse im aktuellen Linken-Hot-Spot Hambacher Forst im Keim zu ersticken.

„Gegen Linksextre­mismus muss mit allen Mitteln vorgegange­n

werden“

Innenstaat­ssekretär

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FOTO: DPA Ein Demonstran­t des „Schwarzen Blocks“.

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