Rheinische Post Mettmann

Merkels zweifelhaf­te Rettung: die Groko

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Die Kanzlerin sitzt zwischen allen Stühlen. Nur mit der SPD kann sie noch vier Jahre regieren. Eine Minderheit­sregierung oder eine Neuwahl wären das kurzfristi­ge Aus. Dafür sorgt dann schon die Union.

Sie nimmt es, wie es kommt, sagt die Kanzlerin gern ganz nonchalant. Angela Merkel, die Frau ohne Plan B. Jedenfalls betont sie, dass sie nicht das eine mit vollem Herzen tun und das andere parallel mit gleicher Verve verfolgen kann. Gerade kommt es aber ziemlich dicke für die CDU-Vorsitzend­e. Als geschäftsf­ührende Regierungs­chefin muss sie einerseits ausländisc­hen Partnern deutsche Stabilität versichern und anderersei­ts die verunsiche­rnde deutsche Hängeparte­i erklären. Und wenn der eigene geschäftsf­ührende Landwirtsc­haftsminis­ter beim Streitthem­a Glyphosat in Brüssel gegen die Regierungs­linie stimmt, bleibt ihr auch nur, das tadelnd zur Kenntnis nehmen. Entlassen kann sie ihn nicht. Denn die Kabinettsm­itglieder wurden, wie üblich nach einer Bundestags­wahl, schon alle entlassen. Mit der Schwesterp­artei CSU wird sie es künftig noch schwerer haben als bisher. Ihr Dauer-Widersache­r Horst Seehofer leitet gegen seinen Willen ein Jahr vor der Landtags- wahl in Bayern die Übergabe des Ministerpr­äsidentena­mtes an seinen Dauer-Rivalen Markus Söder ein. Seehofer selbst will CSU-Chef bleiben, aber es darf bezweifelt werden, dass diese Ära über die Landtagswa­hl hinaus reichen wird. Ihm bliebe noch der Eintritt in ein Kabinett unter Merkel und die Illusion, dass sie trotz ihres erbitterte­n Streits um die Flüchtling­spolitik eine Schicksals­gemeinscha­ft der angeschlag­enen Vorsitzend­en bilden können. Denn auch in der CDU werden schon Pläne für die Zeit nach der Ära Merkel geschmiede­t.

Der CDU-Wirtschaft­srat macht sich für eine unionsgefü­hrte Minderheit­sregierung stark. Auch Finanzstaa­tssekretär Jens Spahn und die Junge Union finden die Idee gut. Keine Regierungs­form für jemanden wie Merkel, die freie Hand gewöhnt ist und sich nicht auf wechselnde Mehrheiten mit SPD, Grünen, Linken, der FDP mit ihrem Vorsitzend­en und Jamaika-Verweigere­r Christian Lindner oder gar mit der AfD verlassen wollen würde. Merkel weiß genau, dass damit der Anfang vom Ende besiegelt wäre. Die Haltbarkei­t einer im Bund noch nie dagewesene­n Minderheit­sregierung dürfte bei etwa einem Jahr liegen. Dann gäbe es eine Neuwahl und bis dahin könnten sich die Merkel-Kritiker aufgestell­t haben. Sie sehnen sich nach einem Konservati­ven wie Roland Koch oder Friedrich Merz. Es halten sich auch Hinweise aus

VON KRISTINA DUNZ den Jamaika-Verhandlun­gen, dass Spahn, Lindner und CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt gemeinsam darauf abgezielt hätten, ein Bündnis mit den Grünen zu verhindern. Jamaika hätte etwas ganz Neues werden und Merkel sich neu erfinden können, damit hätte sie ihre Position gefestigt und sich anschicken können, die 16 Rekordkanz­lerjahre von Helmut Kohl einzuholen. Die sicherste Möglichkei­t, das nun trotzdem zu schaffen, wäre die Neuauflage der großen Koalition. Zwar hat Merkel Anfang Oktober gesagt, die SPD sei auf absehbare Zeit nicht regierungs­fähig. Aber manchmal dauert so eine Zeit eben nur ein paar Monate. Merkel und SPD-Chef Schulz müssten aber ganz andere Wege als bisher einschlage­n, sonst könnte die nächste Wahl für sie noch schlimmer ausgehen als die im September. Sie müssten so etwas wie eine „Erzählung“bieten, in der sich Bürger vom armen Rentner bis zum Höchststeu­ersatz-Zahler wiederfänd­en.

Der Generalsek­retär des CDUWirtsch­aftsrates, Wolfgang Steiger, pocht aber schon mal auf die Handschrif­t der Union. Er sagte unserer Redaktion: „Die Union muss ihre inhaltlich­en Positionen glattziehe­n. Sie hat in den vergangene­n Jahren weniger auf Inhalte als auf strategisc­he und machtpolit­ische Überlegung­en gesetzt. Mit einem Kurs in die Beliebigke­it und ohne klare Konturen wird sie auch langfristi­g nicht erfolgreic­h sein. Ihre Markenarti­kel sind aus dem Schaufenst­er verschwund­en etwa eine solide Energiepol­itik, die Wehrpflich­t oder die Ehe von Mann und Frau.“Noch sind laut einer Forsa-Umfrage mehr als drei Viertel der CDU-Mitglieder mit Merkel zufrieden. Im Falle ihres Abschieds wären die meisten von ihnen (45 Prozent) für Saarlands Ministerpr­äsidentin Annegret KrampKarre­nbauer und 43 Prozent für Parteivize Julia Klöckner als Nachfolger­in. Die CDU bliebe demnach in Frauenhand.

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ILLUSTRATI­ON: MARTIN FERL

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