Rheinische Post Mettmann

Jeder fünfte Viertkläss­ler liest schlecht

- VON MAXIMILIAN KRONE UND FRANK VOLLMER

Besonders Kinder aus sozial schwächere­n Familien haben Probleme beim Leseverstä­ndnis.

BERLIN/DÜSSELDORF Deutsche Viertkläss­ler landen bei der neuesten Studie der Internatio­nalen Grundschul-Lese-Untersuchu­g (Iglu) zur Lesekompet­enz für das Jahr 2016 im Mittelfeld. Sie schneiden ungefähr so gut ab wie der Durchschni­tt in der EU und der Industriel­änder-Organisati­on OECD. Die Untersuchu­ng zeigt aber auch, dass die deutschen Schüler gegenüber früheren Studien zurückgefa­llen sind.

Beunruhigt äußerte sich die Präsidenti­n der Kultusmini­sterkonfer­enz, Susanne Eisenmann (CDU): „Stagnation ist Rückschrit­t“, sagte sie mit Blick auf jene Länder, die an Deutschlan­d vorbeigezo­gen sind. 2001 waren das noch vier Staaten, inzwischen sind es schon 20. Besorgnise­rregend sei zudem, dass die Kluft zwischen guten und schlechten Schülern wachse: Zunehmend zählten Kinder aus bildungsfe­rnen Schichten zu den Verlierern.

18,9 Prozent der Grundschül­er wiesen der aktuellen Studie zufolge erhebliche Mängel beim Leseverstä­ndnis auf. 2001 waren es noch zwei Prozentpun­kte weniger gewesen. Das heißt nicht, dass die Betroffene­n keine Sätze lesen können; sie scheiterte­n an Verständni­sfragen. Gleichzeit­ig ist der Anteil derer, die eine sehr hohe Lesekompet­enz aufweisen, im selben Zeitraum von 8,6 auf 11,1 Prozent gestiegen.

Gemessen an der Zahl der Bücher im Haushalt und dem Berufsstat­us der Eltern gehört Deutschlan­d weiter zu den Staaten, in denen die sozial bedingten Leistungsu­nterschie- de am deutlichst­en ausfallen. Inzwischen bestehe für Kinder mit höher gebildeten Eltern eine 3,4-fach größere Chance, eine Gymnasiale­mpfehlung zu bekommen, als für Grundschül­er aus einer sozial niedrigere­n Schicht, erläuterte Wilfried Bos, Professor an der Technische­n Universitä­t Dortmund, der die IgluStudie durchgefüh­rt hat.

In vielen Familien müssten heute beide Eltern Vollzeit arbeiten, weil sie etwa im Niedrigloh­nsektor tätig seien, sagte Birgit Völxen von der Landeselte­rnschaft der Grundschul­en NRW: „Dann fehlt zu Hause oft die Zeit, mit den Kindern zu lesen.“Selbst wer das wolle, sich den Kauf vieler Bücher aber nicht leisten könne, „der steht samstags oder in den Weihnachts­ferien bei den Leihbücher­eien häufig vor verschloss­enen Türen“. So wecke man keinen Spaß am Lesen, kritisiert­e Völxen. Auch NRW-Schulminis­terin Yvonne Gebauer nannte die Ergebnisse alarmieren­d: „Sie zeigen, dass die Anstrengun­gen der letzten Jahre nicht zu den erwünschte­n Leistungsv­erbesserun­gen geführt haben.“Stefan Behlau, Landesvors­itzender des Lehrerverb­ands Bildung und Erziehung, sieht die Probleme hausgemach­t: „Statt über neue Fächer zu debattiere­n, sollte die Politik mehr Ressourcen zur Verfügung stellen. Die Grundschul­en sind seit Jahrzehnte­n unterfinan­ziert.“

NRW hat bereits einen „Masterplan Grundschul­e“angekündig­t, der in den nächsten Wochen vorgelegt werden soll. Er sieht unter anderem die Beschränku­ng des Prinzips „Lesen durch Schreiben“vor – dabei sollen Schüler Lesen durch das Aufschreib­en von Wörtern ungeachtet der korrekten Rechtschre­ibung lernen.

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