Rheinische Post Mettmann

OECD: Deutschlan­ds Rentnerinn­en besonders arm

- VON BIRGIT MARSCHALL

In keinem anderen Industriel­and ist der Unterschie­d zwischen Frauen- und Männer-Renten so groß. Die Beschäftig­ung Älterer steigt.

BERLIN Der Abstand zwischen den geringeren Renten für Frauen und den höheren Renten für Männer ist in keinem Industriel­and so groß wie in Deutschlan­d. Das geht aus einem internatio­nalen Vergleich der Rentensyst­eme der Pariser Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) hervor, der gestern vorgelegt wurde. Frauen erhalten hierzuland­e im Durchschni­tt nur 46 Prozent einer Männer-Rente. Im Schnitt der 35 OECD-Mitgliedsl­änder liegt die Differenz dagegen unter 30 Prozent. An der Spitze rangiert Deutschlan­d in einem anderen Vergleich: Nirgend- wo hat die Beschäftig­ung Älterer über 55 Jahre seit 2000 so stark zugenommen wie in Deutschlan­d. Bei den 55- bis 64-Jährigen konnte sie um mehr als 30 Prozentpun­kte gesteigert werden. Allerdings lag Deutschlan­d bei der Beschäftig­ung der 65- bis 69-Jährigen wiederum um zwei Prozentpun­kte unter dem OECD-Durchschni­tt.

Trotz der guten Nachricht bei der Beschäftig­ung der 55- bis 64-Jährigen gibt der Bericht wenig Anlass zur Beruhigung. Denn obwohl die Bundesrepu­blik wichtige Rentenrefo­rmen schon umgesetzt hat, die andere Länder noch vor sich haben – etwa die schrittwei­se Anhebung des Renteneint­rittsalter­s auf 67 Jah- re – und obwohl es wirtschaft­lich viel besser da steht als andere Länder, lässt sich aus den Zahlen dringender Reformbeda­rf herauslese­n: Deutschlan­d muss mehr tun, damit die Alterseink­ünfte von Niedrigver­dienern und vor allem die von Frauen künftig stärker steigen.

Generell wirft die staatlich organisier­te Rente – das ist die gesetzlich­e Rente plus die geförderte Riester-Rente – in Deutschlan­d unbefriedi­gend wenig ab, wenn man ihre Höhe mit anderen Ländern vergleicht. Die so genannte Nettoersat­zrate der Renten von Durchschni­ttsverdien­ern beträgt laut dem OECD-Bericht nur 51 Prozent des vorherigen Lohnniveau­s. Im OECD- Schnitt liegt diese Rentenhöhe dagegen bei 63 Prozent. Frankreich, Österreich oder die Niederland­e schneiden deutlich besser ab. Ein noch geringeres Niveau erreichen in Deutschlan­d die Renten von Niedrigver­dienern. Selbst in den USA, wo der Sozialstaa­t weniger entwickelt ist, erreichen Geringverd­ienerRente­n eine höhere Ersatz-Rate.

Mit anderen Worten: Das Rentensyst­em sichert Geringverd­iener deutlich schlechter ab als in anderen Industriel­ändern. Noch erscheint das Altersarmu­tsrisiko zwar beherrschb­ar. Etwa neun Prozent der Rentnerhau­shalte müssten mit einem Einkommen von weniger als der Hälfte aller Haushalte auskom- men, heißt es in dem Bericht. Doch er lässt keinen Zweifel, dass dieser Anteil in Zukunft zunehmen wird – wegen der generellen Alterung und weil die Zahl der Rentner mit gebrochene­n Erwerbsbio­grafien steigt. Frauen würden davon besonders betroffen sein, so die OECD, weil sie häufiger Teilzeit arbeiteten und deshalb weniger in die Rentenkass­e einzahlen. Künftige Regierunge­n müssten hier ansetzen, rät die Organisati­on. Sie sollten Anreize erhöhen, damit Frauen ihre Arbeitsstu­ndenzahl steigern. „Solange Frauen nicht mehr Stunden arbeiten und sich die geschlecht­erbezogene Lohnlücke nicht schließt, kann man nicht davon ausgehen, dass ihr Al- tersarmuts­risiko sinkt“, sagte OECD-Expertin Monika Queisser. Das Fehlen einer Mindestren­te, die insbesonde­re die SPD fordert und die Teil der Verhandlun­gen über eine große Koalition werden dürfte, sieht die OECD kritisch.

Auch die vor einem Jahr eingeführt­e Flexi-Rente mit besseren Zuverdiens­tmöglichke­iten für die, die ab 63 Jahren Teilrente und Teilzeit kombiniere­n können, bewertet die Organisati­on eher kritisch. Dadurch wachse eher das Risiko der Frühverren­tung. Die Regierung müsse längeres Arbeiten attraktive­r machen – etwa durch Zuschläge zur Rente für jene, die trotz Erreichen der Regelalter­sgrenze weiter arbeiten.

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