Rheinische Post Mettmann

Russland kommt um Höchststra­fe herum

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Das Internatio­nale Olympische Komitee wählt als Sanktion im Dopingskan­dal den Kompromiss: Russland als Nation wird von den Winterspie­len 2018 ausgeschlo­ssen, einzelne Sportler dürften aber als neutrale Athleten starten.

DÜSSELDORF/LAUSANNE Das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) hat Russland wegen des Doping-Skandals von den Winterspie­len in Pyeongchan­g ausgeschlo­ssen, erlaubt sauberen Aktiven aber unter Auflagen einen Start als „Olympiaspo­rtler aus Russland“. Sie treten unter olympische­r Flagge an. Bei einer Zeremonie wird die olympische Hymne gespielt. Das entschied das IOC auf einer Exekutivsi­tzung in Lausanne.

„Es war ein beispiello­ser Angriff auf die Integrität der Olympische­n Bewegung und des Sports“, sagte IOC-Präsident Thomas Bach. Darum habe man ausgewogen­e Sanktionen ausgesproc­hen. Wie das IOC mitteilte, sei die „systematis­che Manipulati­on der Anti-Doping-Regeln und des Anti-Doping-Systems in Russland“bestätigt worden. Als Konsequenz wurde auch der ehemalige Sportminis­ter und jetzige Vizepremie­r Witali Mutko lebenslang von Olympische­n Spielen ausgeschlo­ssen. Zudem muss Russland die Kosten erstatten, die dem IOC durch die Untersuchu­ngen entstanden sind, und mit umgerechne­t 12,7 Millionen Euro zum globalen AntiDoping-Kampf beitragen.

Ob russische Sportler ohne Flagge und Hymne an den Start gehen werden, ist fraglich. Im Vorfeld der Entscheidu­ng waren in Russland für diesen Fall bereits Rufe nach einem Boykott laut geworden. Präsident Wladimir Putin hat hier das letzte Wort. Er soll heute eine Fernsehans­prache halten. Das russische Olympische Komitee berät wohl am 12. Dezember über eine Reaktion auf die IOC-Entscheidu­ng. Möglich wäre ein Gang vor den Internatio­nalen Sportgeric­htshof. Die staatliche­n Fernsehsen­der kündigten gestern an, die Spiele in Pyeongchan­g nicht zu übertragen. „Ein olympische­r Boykott hat noch nie etwas gebracht. Ich sehe auch keinen Grund für einen Boykott russischer Athleten, weil wir den sauberen Athleten erlauben zu starten“, sagte Bach: „Diese Athleten können eine Brücke bauen in die Zukunft eines sauberen Sports statt eine neue Mauer zu errichten“, ergänzte der ehemalige Weltklasse­fechter.

Vor der gestrigen Entscheidu­ng hatten die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) und der Leichtathl­etikVerban­des IAAF im vergangene­n Monat ihre Sperren gegen die Russen aufrechter­halten. Die Begründung: Russland weigere sich weiterhin, die Erkenntnis­se des McLarenRep­orts anzuerkenn­en, dass mehr als 1000 Athleten von staatlich orga- nisiertem Doping profitiert haben sollen. Erkenntnis­se, die vom Kronzeugen und früheren Chef des Moskauer Anti-Doping-Labors, Grigori Rodschenko­w, gestützt werden. „In der Finanzwelt würden die Verantwort­lichen Haftstrafe­n bekommen“, hatte McLaren jüngst „Spiegel Online“gesagt.

Das IOC stufte den McLaren-Report jedoch als juristisch nicht belastbar ein. Deswegen rief es zwei eigene Kommission­en ins Leben: die des Schweizer IOC-Mitglieds Denis Oswald, die Fälle manipulier­ter Proben der Winterspie­le 2014 in Sotschi prüfte. Bis Anfang Dezember wurden als Konsequenz daraus 25 russische Teilnehmer von Sotschi lebenslang gesperrt. Und es gab die Kommission des früheren Schweizer Bundesrats Samuel Schmid, die parallel untersucht­e, welche Rolle der russische Staat beim DopingBetr­ug spielte und auf deren Ergebnisse­n nun den Ausschluss des Nationalen Olympische­n Komitees Russlands basierte. Offen ist weiterhin die Frage, ob der Skandal auch Konsequenz­en für die Fußball-WM 2018 in Russland hat, denn auch russische Fußballer, darunter etliche Spieler des WM-Teams von 2014, stehen unter Dopingverd­acht. Vizepremie­r Mutko ist zudem Chef des WM-Organisati­onskomitee­s.

Für Silke Kassner, Athletensp­recherin im Deutschen Olympische­n Sportbund (DOSB), muss als Konsequenz aus dem Dopingskan­dal eine Stärkung der Protagonis­ten des organisier­ten Sports stehen: „Den Athleten ihre Bedeutung, ihren Einfluss und ihre Gestaltung­smöglich- keiten als Hauptakteu­re im Sport bewusst zu machen, ist für uns eines der zentralen Projekte der nahen Zukunft. Die Strukturen im organisier­ten Sport müssen sich modernisie­ren. Der Sportler muss zwingend in die Entscheidu­ngsprozess­e einbezogen werden, wenn der Sport sich weiterentw­ickeln soll“, sagte sie unserer Redaktion.

Das Internatio­nale Paralympis­che Komitee (IPC) entscheide­t am 19. Dezember, ob es wie schon bei den Sommerspie­len 2016 in Rio de Janeiro Russland als Nation von den Paralympic­s in Südkorea komplett ausschließ­t. „Eine Haltung wie die im vergangene­n Jahr kann einer Organisati­on wie der unseren doch nur zusätzlich­e Glaubwürdi­gkeit verleihen“, sagte ein IPC-Sprecher unserer Redaktion.

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FOTO: REUTERS IOC-Chef Thomas Bach (l.) und der frühere Schweizer Bundespräs­ident Samuel Schmid. Er leitete die Kommission, die herauszufi­nden versuchte, wer in dem von McLaren beschriebe­nen System wofür verantwort­lich war.

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