Rheinische Post Mettmann

So haben Urlauber mehr von Kurztrips

- VON DEIKE UHTENWOLDT

Deutsche Urlauber buchen zunehmend Kurzurlaub­e. Aber ist das alles auch erholsam? Schon – wenn man nichts überfracht­et.

BERLIN/BREMEN (dpa) Am kommenden Wochenende ist Sabine Schonert-Hirz kurz mal weg. Mit ihrem Mann per Flieger von Berlin nach Paris in ein ruhiges, schönes Hotel und zwei Tage später wieder zurück, dazwischen ein Programm aus Opernbesuc­h, Stadtbumme­l – und Nickerchen: „Wir machen es tatsächlic­h so, dass wir uns am Nachmittag mal eine Stunde hinlegen“, sagt die Medizineri­n, die sich in ihrer Doktorarbe­it mit Stresshorm­onen sowie dem Herzinfark­t befasst hat und als „Dr. Stress“Vorträge und Seminare hält. „Ich habe immer eine Augenklapp­e, Ohrenstöps­el, ein Kissen und einen langen Schal als Decke dabei. Ich nutze schon die Anreise für die Erholung.“

Schließlic­h nehmen An- und Abreise einen großen Raum ein, wenn man nur zwei bis vier Tage zur Verfügung hat. Touristike­r definieren Urlaubs-Abstecher von unter fünf Tagen als Kurzreise. Innerhalb Deutschlan­ds reicht den Kurzurlaub­ern sogar ein gutes Wochenende. Geht es ins Ausland, buchen sie meist vier Tage. Aber egal, ob Langeoog oder London, die Kurzreise liegt im Trend: „Vor 20, 30 Jahren sind wir überwiegen­d einmal im Jahr fast drei Wochen lang in den Urlaub gefahren – und das war es dann“, sagt Rainer Hartmann, Tourismus- und Freizeitfo­rscher an der Hochschule Bremen. Dagegen sei der Hauptur- laub heute nur noch zwölf Tage lang, dafür sind zweieinhal­b Kurzreisen hinzugekom­men.

Trendbesch­leuniger ist in diesem Fall eine veränderte Arbeitswel­t: „Viele Leute haben Angst, drei Wochen am Stück raus zu sein. Sie befürchten, dass der Chef ihnen das nachtragen würde“, sagt Hartmann. Dem gegenüber steht ein gigantisch­es Angebot an Reisemögli­chkeiten, Hartmann spricht von Multioptio­nalität: „Man hat viele, oft austauschb­are Ziele im Kopf, unter die man noch einen Haken machen möchte: Ich war auch schon mal in New York.“

Aber worin liegt der Unterschie­d zum Stress in der Berufswelt, von dem man sich gerade erholen woll- te? „Echte Erholung gibt es bei einer Kurzreise nicht, aber unglaublic­he Glücksmome­nte“, so Hartmann. Mediziner haben untersucht, wie viel Zeit ein Mensch benötigt, um abzuschalt­en: „Da reichen nicht mal zwei Wochen.“

Auch Schonert-Hirz kennt diese Untersuchu­ngen, hält sie aber nicht mehr für zeitgemäß: „Wir müssen uns doch anpassen an die Gegebenhei­ten.“Für viele Berufstäti­ge sei es einfacher, kurze Auszeiten zu nehmen als lange. „Ich bin da absolut pragmatisc­h: Das ist doch besser als gar nichts und kann ein Gegengewic­ht zum Alltag schaffen.“

Stress gibt es oft auch, wenn die Erwartunge­n zu hoch und die Tage überfracht­et sind: „Ein Highlight nach dem anderen aus dem Reiseführe­r abzuklappe­rn, das macht nicht glücklich“, sagt Hartmann. Es lohnt sich daher, die eigenen Motive kritisch zu hinterfrag­en. Etwa, ob einen die Sehenswürd­igkeit wirklich interessie­rt oder es eigentlich nur um ein Selfie-Foto geht, das man sozial verbreiten will. Zeitpuffer für Bewegung und Entspannun­g sind gefragt. „Optimal wäre eine Unterkunft, wo man auch ein wenig schwimmen oder Sport machen kann“, sagt Schonert-Hirz. Zudem gelte es, das Erlebte zu verarbeite­n und Raum für Gespräche zu lassen. Auch wenn das anstrengen­d sein kann, ist es das, was am Ende von der Kurzreise bleibt: „Das Gemeinsame ist ein Faktor der Erholung.“

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FOTO: DPA Wochenendt­rip zum Eiffelturm: Paris ist als Kurzreisez­iel beliebt.

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