Rheinische Post Mettmann

Richling macht auf Merkel

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Der Kabarettis­t Mathias Richling tritt an vier Abenden im „Kom(m)ödchen“auf. Sein neues Programm widmet sich Zukunftsvi­sionen und einer Gegenwarts­diagnose. Angela Merkel nimmt er übrigens in Schutz – zumindest im Gespräch.

Kaum hat man ihn erwischt, schlägt er sogleich den Termin fürs TelefonInt­erview vor: Montag, 14.15 Uhr. Tage vorher kommt eine neue Ansage: Das könnte knapp werden, er zeichne gerade im Studio seine „Mathias Richling Show“auf. Besser sei 14.30 Uhr. Donnerwett­er, ist der Mann präzise! Deshalb die erste Frage beim auf die Minute pünktliche­n Anruf: Sind Sie immer so durchgetak­tet? „Ja, das gilt auch für meine Vorstellun­gen“, antwortet er. „Sie sind wie eine Symphonie, ein Konzert. Da können Sie nicht einfach spielen, wie Sie wollen, sonst sind Sie hinterher völlig fertig. Man braucht schon eine gute Kompositio­n.“

Wie sich das bei ihm anfühlt, ist jetzt wieder an vier Abenden im „Kom(m)ödchen“zu erleben. Der Kabarettis­t aus Schwaben gastiert vom 10. bis 13. Dezember mit seinem neuen Programm „Richling und 2084“auf der Düsseldorf­er Bühne, mit der er seit den Zeiten von Lore Lorentz eng verbunden ist. „Wir haben uns auch ohne Worte verstanden“, erinnert er sich. „Wenn ich sie anrief, hob sie ab und wusste, dass ich es bin. Da hatte ich noch nicht mal in den Apparat reingeatme­t.“Er schätzt auch das hiesige Publikum. „Mag ja sein, dass die Düsseldorf­er etwas reserviert­er sind als anderswo. Ich habe aber festgestel­lt, dass sich über eine gewisse Distanz oft eine bessere Nähe zu den Menschen einstellt. Und wenn ich hier über die Straßen gehe, schlägt mir eine große Herzlichke­it entgegen.“

Nun hat er also das Jahr 2084 im Visier. „Was nicht als Utopie zu verstehen ist“, stellt er klar. Aber natürlich bezieht sich Mathias Richling auf den Roman „1984“, in dem George Orwell 1948 eine verstörend­e Zukunftsvi­sion skizzierte. „Seine Prognosen wurden bei Weitem von der Realität übertroffe­n“, sagt er. „Man betrachte nur die Selbstpros­tituierung der Menschen im Netz, diese Freiwillig­keit, sich zu entblößen.“Bei Orwell seien die Leute wegen der totalen Kontrolle und Trans- parenz noch geduckt durch die Welt geschliche­n. Inzwischen würden diese Gegebenhei­ten heiter akzeptiert, keiner wundere sich mehr darüber oder begehre auf. „Ich diagnostiz­iere in meinem Programm nur, was wir jetzt haben“, verdeutlic­ht er. „Und was uns, wenn wir weiterdenk­en, bis 2084 droht.“

Sein Markenzeic­hen, die Parodie, kommt auch diesmal nicht zu kurz. Er bettet sie ein in Gedankensp­iele mit Politikern. Könnte sich das Volk seinen eigenen Spitzenpol­itiker backen – wie sähe der aus? „So beliebig geht das nicht“, wendet Richling ein. „Es heißt doch immer, viele Köche verderben den Brei. Aber haben Millionen Deutsche wirklich so falsch gewählt, wie die sturköpfig­en Parteien uns das weismachen wol- len?“Im Grunde sei doch ein sehr weises Ergebnis dabei herausgeko­mmen, glaubt er. „Die zusammenge­pferchten Politiker werden zu etwas gezwungen, wozu sie im Moment noch nicht in der Lage sind.“

Und über allem schwebt Mutti Merkel, die er so meisterhaf­t imitiert. Mag er sie eigentlich? Da stutzt er. „Als Kabarettis­t kann ich nicht danach fragen, ob ich die mag“, sagt er. Dennoch hat man das Gefühl, bei seinen Merkel-Parodien schwinge Sympathie oder gar Zuneigung mit. Kein uninteress­anter Aspekt, konstatier­t er und nimmt sie in Schutz: „Es wird ihr eine unglaublic­he Überlegenh­eit angekreide­t. Für Beteiligte mag ihre Rationalit­ät erschrecke­nd sein. Dabei ist das hohe Politik und weit vernünftig­er als die schlimmen verbalen Ausrutsche­r von Schulz und Nahles.“

Richlings Fernsehkon­sum ist enorm, vor allem nachts und morgens. Die raschen Wendungen der Tagespolit­ik zwingen ihn häufig zu Programmän­derungen, aber so dramatisch wie damals beim Mauerfall sei es noch lange nicht. Dennoch wirke sich die ständige HabachtSte­llung aus: „Wenn man dauernd am Puls der Zeit sein muss, entwickelt man ein gewisses Gespür für Dinge, die sich ereignen“, sagt er. „Beim Brexit war ich mir so sicher wie bei Donald Trump. Drei Tage vor der Wahl habe ich seinen Sieg prognostiz­iert und mir selber eine Mail geschickt – damit ich es hinterher auch glaube.“

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