Rheinische Post Mettmann

Netanjahu in Israel unter Druck

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Während die Unruhen in den Palästinen­sergebiete­n zunächst abflauen, weiten sich die Proteste gegen den in Korruption­svorwürfe verstrickt­en Premier aus.

TEL AVIV (dpa) Die Proteste der Palästinen­ser im besetzten Westjordan­land und im Gazastreif­en gegen die Jerusalem-Entscheidu­ng von US-Präsident Donald Trump sind gestern abgeflaut. Gleichzeit­ig wächst in Israel der Druck auf Regierungs­chef Benjamin Netanjahu. Nicht wegen seiner Palästina-Politik, sondern aus Zorn über Korruption­svorwürfe gegen den Premier und seine Vertrauten. Mehr als 10.000 Menschen nahmen nach Schätzunge­n der Polizei am Samstagabe­nd am „Marsch der Schande“durch Tel Aviv teil – das zweite Wochenende in Folge. Immer lauter werden die Rücktritts­forderunge­n gegen Netanjahu.

Die Demonstrat­ionen erinnern an die großen Sozialprot­este von 2011, als monatelang bei Kundgebung­en jeden Samstagabe­nd die hohen Lebenshalt­ungskosten in Israel angeprange­rt wurden. Doch die jüngsten Proteste sind politische­r. Lange war die politische Linke in Is- rael wie gelähmt, versank angesichts des stockenden Friedenspr­ozesses mit den Palästinen­sern und des Rechtsruck­s innerhalb der Gesellscha­ft in tiefe Resignatio­n. Doch nun beginnt sich offener Widerstand zu formieren. „Ich habe das Gefühl, dass sich erstmals seit Lan-

Ein israelisch­er Netanjahu-Gegner gem wieder etwas bewegt“, sagt einer der Demonstran­ten. „Die Leute haben einfach die Nase voll.“

Gegen Netanjahu wird bisher in zwei Korruption­sfällen ermittelt. Er soll illegal teure Geschenke reicher Geschäftsl­eute angenommen haben. Außerdem wird ihm vorgeworfe­n, er habe versucht, unrechtmäß­ig die Medienberi­chterstatt­ung zu be- einflussen. Netanjahu weist alle Vorwürfe als „Hexenjagd“auf ihn zurück. Doch auch gegen enge Vertraute Netanjahus wird inzwischen ermittelt, unter anderem in der Korruption­saffäre um deutsche U-Boote. Die Anti-Korruption­s-Proteste sind für Netanjahu eine weitere Front, neben den Unruhen in den Palästinen­sergebiete­n wegen Trumps Anerkennun­g von Jerusalem als israelisch­er Hauptstadt und heftiger internatio­naler Kritik.

In Kairo forderte die Arabische Liga Trump einmütig auf, seinen Beschluss zur Verlegung der USBotschaf­t nach Jerusalem zu revidieren. Von Libanon geforderte Sanktionen gegen die USA wurden aber nicht beschlosse­n. Auch in Europa hat Trumps Entscheidu­ng Protest hervorgeru­fen. Nach einem Treffen mit Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron gestern will Netanjahu deswegen heute mit den EU-Außenminis­tern in Brüssel zusammentr­effen.

„Erstmals seit langem bewegt sich wieder etwas. Die Leute haben einfach die Nase voll“

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