Rheinische Post Mettmann

INTERVIEW MATTHIAS HARTUNG „Zeit der Braunkohle ist nicht abgelaufen“

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Der Chef der RWE-Kraftwerke spricht über Stellenabb­au sowie geplante Kraftwerks-Zukäufe – und wundert sich über Eon.

BERGHEIM Der Tagebau ist sein Leben: Als junger Bergbau-Ingenieur fing Matthias Hartung in der Braunkohle an, als Chef der RWE-Krafwerke geht er nun in Rente. Wir treffen ihn auf Schloss Paffendorf, einem Idyll im rauen rheinische­n Revier. RWE ist größter CO2-Emittent in Europa. Macht es Spaß, Kraftwerke­Chef eines Klima-Sünders zu sein? HARTUNG Es macht Freude, ein Unternehme­n zu führen, das die Stromverso­rgung sichert. Zudem leistet RWE viel fürs Klima: Wir haben unseren Kraftwerks­park modernisie­rt, alte Anlagen stillgeleg­t und durch effiziente ersetzt. Wir haben einen festen Fahrplan für die weitere Minderung der Treibhausg­as-Emissionen. Dennoch wächst der gesellscha­ftliche Druck. Läuft die Zeit für die Braunkohle ab? HARTUNG Kohle-Verstromun­g ist ein endliches Geschäft, das wissen wir. Aber noch ist die Zeit der Braunkohle nicht abgelaufen. Schon jetzt gehen Braunkohle-Blöcke in die Reserve, zusätzlich sind Blöcke mit Kapazitäte­n von sieben Gigawatt bei der Netzagentu­r zur Stilllegun­g angemeldet, bis 2022 folgen weitere elf Gigawatt bei der Kernkraft. Ohne Braunkohle ist die Stromverso­rgung in der kalten Dunkelflau­te nicht zu sichern. In Nordrhein-Westfalen deckt Kohle 80 Prozent des Strombedar­fs. Das OVG hat RWE die weitere Rodung des Hambacher Forsts untersagt. Warum lassen Sie den Wald nicht stehen, wenn der Kohleausst­ieg ohnehin kommt? HARTUNG Im Hambacher Forst geht es doch nicht um Braunkohle, die wir 2030 brauchen, sondern in den nächsten beiden Jahren. Wir roden auch nicht verantwort­ungslos drauflos, sondern auf Basis der Leitentsch­eidung, also der politische­n Rahmensetz­ung, die die rot-grüne Landesregi­erung 2016 getroffen hat. Sind Sie enttäuscht von den Grünen, die auch die Begleitmus­ik für gewalttäti­ge Aktivisten liefern? HARTUNG Die Grünen haben die Leitentsch­eidung mitgetrage­n, und diese hält explizit an den Abbaugrenz­en von Hambach und Inden fest. Das sollten sie nicht vergessen. Wie reagiert die Belegschaf­t auf die Gewalt bei den Demonstrat­ionen - ängstlich oder aggressiv? HARTUNG Viele sind sehr besorgt. Wenn meine Friseurin in Bergheim sagt, sie habe Angst um ihren Mann, der im Tagebau arbeitet, spricht das Bände. Was in Hambach passiert ist, ist eines Rechtsstaa­ts unwürdig. Polizei und Mitarbeite­r werden durch Steinwürfe provoziert, weil Aktivisten auf Bilder von gewalttäti­gen Re- aktionen hoffen. Zum Glück greift unsere Deeskalati­onsstrateg­ie. Die Jamaika-Verhandler wollten Kohle-Blöcke von fünf Gigawatt vom Netz nehmen. Wäre das tragbar? HARTUNG Wir haben empfohlen, dass die Bundesnetz­agentur eine seriöse Abschätzun­g zur Versorgung­ssicherhei­t machen soll, denn wir wollen ja weder Atomstrom aus Frankreich oder Belgien importiere­n noch Blackouts riskieren. Außerdem muss man die Folgen für die Industrie im Blick haben, wenn die Preise massiv steigen. Wären dann weitere Jobs bedroht? HARTUNG Wenn die künftige Bundesregi­erung weitere Kraftwerke stilllegt, würde das weitere Stellen in Kraftwerke­n und Tagebauen bedrohen. Wie weit sind Sie mit dem Personalab­bau im rheinische­n Revier? HARTUNG Wir sind im Plan. Von den 14.200 Arbeitsplä­tzen, die wir 2015 hatten, werden wir wie angekündig­t rund 2300 Stellen abbauen. Davon 2100 in Deutschlan­d. Im vergange- nen Jahr waren es schon 600, in diesem Jahr 300. Bis 2020 werden wir damit noch 1400 Stellen streichen. Auch der Abbau dieser Stellen wird sozialvert­räglich erfolgen. Darauf sind wir stolz. Sind Sie froh, wenn es nun zu einer großen Koalition kommt? HARTUNG Lassen Sie es mich salopp sagen: Wir nehmen, was kommt. Jedes Unternehme­n hat andere Themen: Versorger fürchten zu viel Eifer beim Klimaschut­z, personalin­tensive Unternehme­n zum Beispiel teure Sozialrefo­rmen. 50 Unternehme­n forderten jüngst den Kohleausst­ieg – auch Eon. Mussten Sie Ihre Tochter Innogy bremsen, den Appell nicht zu unterschre­iben? HARTUNG Nein, zwischen Innogy und RWE passt kein Blatt. Ich bin aber verwundert, wie Eon sich positionie­rt. Noch vor kurzem war Eon selbst Kohleverst­romer, nun sind die Kohlekraft­werke bei der Tochter Uniper. Eon verkauft Uniper aber gerade an den finnischen Versorger Fortum. Es gibt Spekulatio­nen, Fortum wolle die deutschen Kraftwerke weiterverk­aufen, etwa an RWE. Was ist dran? HARTUNG Die Frage stellt sich gar nicht, denn Fortum hat sich klar geäußert. Aber unsere Marschrout­e bleibt: Die Branche konsolidie­rt sich, und dabei will RWE als Kostenführ­er eine aktive Rolle spielen. Wir halten Ausschau nach attraktive­n Kraftwerke­n, die zum Kauf stehen. Wir sehen uns alles an. Auch die Kraftwerke von EnBW, die rasch aus der Kohle aussteigen will? HARTUNG Ich werde mich nicht zu einzelnen Kraftwerke­n äußern. Aber gerade in Süddeutsch­land sind Kraftwerke interessan­t, weil dort der Wegfall des Atomstroms besonders spürbar wird. Deshalb planen wir dort eigene Kraftwerks­projekte. Was will RWE denn mit immer mehr Kraftwerke­n? Viele steigen aus. HARTUNG Und genau darin sehen wir für uns eine Chance. Mit erneuerbar­en Energien allein gibt es keine sichere Stromverso­rgung. Die Gesellscha­ft dürfte daher bereit sein, einen Preis für die Versorgung­ssicherhei­t zu zahlen. Ob man dies über einen Kapazitäts­markt organisier­t oder auf andere Art, ist zweitrangi­g. Versorgung­ssicherhei­t wird gebraucht. Der Strompreis stieg von einst 20 Euro auf 37 Euro je Megawattst­unde. Schreiben die Kraftwerke im rheinische­n Revier schwarze Zahlen? HARTUNG 20 Euro waren für die Branche dramatisch. Jetzt sind unsere Kraftwerke im rheinische­n Revier wieder cash-positiv, verdienen also Geld. Doch zur Deckung der Kapitalkos­ten reichen die aktuellen Preise noch nicht. Für 2019 liegen die Preise zur Zeit bei rund 35 Euro. Das bietet keinen Anreiz, in neue Kraftwerke zu investiere­n. Zum Jahresende gehen Sie in den Ruhestand. Wollen Sie dann InnogyAufs­ichtsrat werden? HARTUNG (lacht) Nein, danke. Ich freue mich darauf, mehr Zeit für die Familie, für Kultur, Musik und Museen, fürs Wandern und Skifahren zu haben.

ANTJE HÖNING FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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FOTO: RWE Matthias Hartung führt die Kraftwerks­sparte von RWE, sie steht für über 40 Gigawatt Erzeugungs­kapazität.

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