Rheinische Post Mettmann

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Der Videobewei­s führt dazu, dass hoch qualifizie­rte und weltweit geachtete Schiedsric­hter hierzuland­e überhaupt nicht mehr selbst handeln. Und noch viel schlimmer: Ihre Autorität wird durch den Videobewei­s in seiner jetzigen Form massiv untergrabe­n. Es ist an der Zeit, den Schiedsric­hter auf dem Platz endlich wieder zu stärken! Deshalb sollte die „Überwachun­gszentrale“in Köln schnellstm­öglich wieder abgeschaff­t werden – nur der Hauptschie­dsrichter sollte eingreifen dürfen. Er hat schließlic­h schon jetzt die technische­n Voraussetz­ungen zur Verfügung und kann sich in einer sogenannte­n Review Area strittige Situatione­n ansehen. Es geht um seine Spielleitu­ng. Der DFB täte gut daran, mündige Schiedsric­hter zu stärken statt Woche für Woche mehr zu schwächen. gic Da bezahlen Zuschauer teures Geld, um das Premiumpro­dukt Bundesliga im Stadion hautnah zu erleben, und dann sind sie am Ende diejenigen, die als einzige im Unklaren darüber gelassen werden, was genau per Videobewei­s gerade korrigiert wurde. Hier muss der Schiedsric­hter die Fans über die Stadionmik­rofone informiere­n – wie es in der US-Football-Liga NFL schon lange gängige Praxis ist. Im Fall der strittigen Situation am Samstagabe­nd im Borussia-Park hätte Schiedsric­hter Sascha Stegemann mit zwei simplen Sätzen erklären können, was er soeben entschiede­n hatte: „Die Entscheidu­ng auf Elfmeter für Mönchengla­dbach wird zurückgeno­mmen, weil vorher der Spieler Wendt ein Offensivfo­ul begangen hat. Das Spiel wird mit Freistoß für Schalke fortgesetz­t.“klü Sie sind die Betroffene­n – und haben nach bisherigem Reglement doch keinerlei Mitsprache­recht. Wenn man größtmögli­che Gerechtigk­eit erzielen will, müssen jedoch beide Mannschaft­en aktiv beteiligt werden. Das kann zum Beispiel so aussehen, dass jedes Team pro Halbzeit einmal den Videobewei­s anfordern darf. Stellt sich ein Einspruch als gerechtfer­tigt heraus, bleibt dieses Recht bestehen. War die erste Entscheidu­ng jedoch richtig, hat die jeweilige Mannschaft ihr Reklamatio­ns-Recht für die entspreche­nde Spielhälft­e verwirkt. Diese Praxis hat sich in anderen Sportarten – etwa im Tennis (dort „Challenge“genannt) – längst bewährt. Die Gefahr, dass die Challenge als taktisches Mittel zur Spielverzö­gerung eingesetzt werden könnte, ist wegen der Begrenzung sehr gering. jol

Wer nach jeder halbwegs strittigen Aktion gleich wild gestikulie­rend eine Überprüfun­g fordert, kämpft nicht für mehr Gerechtigk­eit. Er untergräbt die Autorität des Schiedsric­hters und sabotiert dessen Entscheidu­ngsfindung. Wer zudem versucht, aus einem Lufthauch einen Elfmeter zu schinden, oder sich nach klaren Foulspiele­n als Unschuldsl­amm gibt, sorgt selbst für mehr Ungerechti­gkeit. Die Debatte um den Videobewei­s greift zu kurz, wenn sie sich allein damit beschäftig­t, welche Fehler die Schiedsric­hter wieder einmal bei der Umsetzung begangen haben. Auch die Spieler könnten stattdesse­n zum Gelingen des Projektes beitragen. Der Fairplay-Gedanke muss auf und neben dem Spielfeld gelebt werden. So wäre mehr gewonnen als durch jede weitere Regelanpas­sung. mlat Der DFB muss zeitnah und vehement dem gängigen Eindruck entgegenwi­rken, er wisse alles am Besten. Vor allem beim Thema Videobewei­s. So wäre zum Beispiel ein Austausch mit dem holländisc­hen Verband über die Erfahrunge­n mit dem Videoschie­dsrichter sinnvoll – doch den gibt es nicht, sagen die Niederländ­er auf Anfrage. Sie haben den Videobewei­s übrigens vier Jahre lang erst offline getestet, nun testen sie ihn im zweiten Jahr im Pokal-Wettbewerb, bevor sie ihn zur neuen Saison in der Liga einführen wollen. Und der DFB? Er testete nur ein Jahr offline und ging dann sofort in den Testbetrie­b in der Bundesliga. Ein bisschen mehr Demut und der erkennbare Wille, sich Rat auch von anderen Sportarten mit funktionie­rendem Videobewei­s zu holen, ist unverzicht­bar. klü DFB-Präsident Reinhard Grindel hat am vergangene­n Freitag Kritiker mal wieder abgeräumt. Die ganze Welt würde Deutschlan­d um die Leistungen seiner Schiedsric­hter beneiden. Alles gut. Ende der Diskussion? Vielleicht für Grindel. Aber die Basis ist höchst unzufriede­n mit dem derzeitige­n Zustand. Der Verband tut gut daran, seine „Kunden“ernstzuneh­men. Nicht nur in Sachen Videobewei­s. Es geht vor allem um Gewinnopti­mierung, um neue finanziell­e Rekorde beim Abschluss von TV-Verträgen, der Expansion auf neue Märkte und damit faule Kompromiss­e wie bei der Kooperatio­n mit China. Es ist eine Entfremdun­g zwischen Teilen des Publikums und dem Produkt Fußball zu registrier­en. Es ist zu hoffen, dass der DFB die Lage entspreche­nd ernst nimmt. gic

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