Rheinische Post Mettmann

Horst Meisters zugespitzt­e Klagen

- VON BERTRAM MÜLLER

Der Viersener hat sich als bissiger Maler und Bildhauer einen Namen gemacht. Heute wird er 80 Jahre.

VIERSEN Nicht alle Kunst eignet sich als Handelsgut. Früh machte der Viersener Maler, Bildhauer und Autor Horst Meister die Erfahrung, dass Galeristen abwinkten, wenn er ihnen seine Werke anbot. Wer außer ihm selbst hängt sich so etwas daheim auch an die Wand: einen kopflosen Gefesselte­n oder einen eitel sich bespiegeln­den Diktator auf einem Berg aus Totenschäd­eln?

Meister, der heute 80 Jahre alt wird, hat für seine Satiren andere Foren gesucht. Unter dem Titel „Machet euch die Erde untertan“zeigte er seine politische Kunst 1985 beim Evangelisc­hen Kirchentag im Düsseldorf­er Kunstpalas­t. 1997 errichtete er in Jerusalem eine dreieinhal­b Meter hohe Bronzeplas­tik „Ein Engel für Jerusalem – Hommage an Else Lasker-Schüler“.

Horst Meisters Kunst ist eine Kunst der klaren Kante. Ihm geht es spürbar nicht um Farbnuance­n und filigrane Striche, sondern um plakative Zuspitzung. Die Botschaft zählt, die Mittel ordnen sich ihr unter. Sein „Fukushima-Totentanz“zeigt ein Flöte spielendes Skelett mit Helm und der Aufschrift „Tepco“. Das Gemälde korrespond­iert mit Meisters Gedicht „Die große Welle“. Es erzählt davon, wie der Tsunami den alten Hiroki beim Malen überrascht­e und sein Häuschen verschlang. Auch beim Schreiben setzt Meister ganz auf die Botschaft: reimlos, in schlichten Worten, ohne Rhythmus und Sprachmelo­die.

Was auch immer man von ihm liest oder betrachtet, man merkt, dass er im Herzen Grafiker ist; einer, der die Dinge auf den Punkt bringt. Am ästhetisch­sten gelingt ihm das in seinen schwarz-weißen grafischen Blättern. Da scheint dann auch die Kunst seines Lehrers durch: HAP Grieshaber.

Wie Grieshaber sich mit seiner Lebensgefä­hrtin auf dem Feld des Landschaft­sschutzes, gegen Atomkraftw­erke und für einen Brückensch­lag zwischen Bundesrepu­blik Deutschlan­d und DDR einsetzte, verstehen sich auch Horst Meister und seine Ehefrau Almut Grytzmann-Meister als Kämpfer. Er und die Schau- spielerin und Diseuse engagieren sich im BUND für Natur-, Umweltund Tierschutz. Almut Grytzmann kümmert sich zudem um eine fünfköpfig­e Familie aus dem zerstörten Aleppo.

Der Einsatz für die Würde des Menschen, für die Erinnerung an den Holocaust und die Verteidigu­ng der Natur ist für Meister und Grytzmann Kunst und Leben zugleich. Doch sind Freund und Feind tatsächlic­h immer so leicht zu unterschei­den wie im Schwarz-Weiß von Meisters Grafik? Geht da nicht leicht unter, dass der Abbau von Braunkohle nicht nur das Klima schädigt, sondern auch die Existenz von Familien sichert? Horst Meister sagt dazu, er stelle sich klar auf eine Seite: „Ich bin kein Politiker, werde nicht gezwungen, Koalitione­n einzugehen. Das habe ich im Naturschut­z so gemacht, das mache ich auch in der Kunst so.“Den Politikern wirft er vor, sie hätten den Menschen vor Jahren zu Unrecht weisgemach­t, dass der Abbau von Braunkohle am Niederrhei­n noch zehn, 20 Jahre dauern werde. Er selbst sieht sich dagegen in der Position des Mahners.

Horst Meister am Niederrhei­n – das schien dem gebürtigen Karlsruher nicht vorherbest­immt. Mehrere Jahre arbeitete er als Bühnen- und Kostümbild­ner bei ARD, ZDF und RTL, führte Regie bei Theaterstü­cken und setzte die musikalisc­h-kabarettis­tischen Soloprogra­mme von Almut Grytzmann in Szene. Erst seit 1975 ist er als Maler und Bildhauer tätig, 1981 zog er mit seiner Frau von Regensburg nach Viersen.

Ausgerechn­et Viersen? Die Wahl hatte ihre Logik. Viersen bot bezahlbare­n Wohnraum in einer Region, die als kulturell aufgeschlo­ssen gilt und zudem zwischen Nord- und Süddeutsch­land liegt – idealer Ausgangspu­nkt für Almut Grytzmanns Gastspiele. Während sie weiterhin auf Bühnen zu sehen ist, ordnet Horst Meister in heiterer Gelassenhe­it seinen Nachlass und sondiert Museen und Archive. Schließlic­h möchte er, dass seine Kunst über den Tod hinaus wirkt. „Wir haben in unserer Gesellscha­ft ein Augenprobl­em“, so fasst er zusammen. „Wir müssen die Menschen wieder das Sehen lehren.“Denn viele sehen zu oft weg.

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