Rheinische Post Mettmann

Im Tanzhaus rücken sie zusammen

- VON CLAUS CLEMENS

Residenzkü­nstlerin Ligia Lewis stellte ihre Produktion „minor matter“vor. Im Stück geht es um Rassismus.

Die Choreograp­hin Ligia Lewis ist zurzeit eine der drei sogenannte­n Factory Artists im Tanzhaus NRW. Die Position eröffnet ihr auch die Möglichkei­t, eigene Produktion­en zu zeigen. Nun stellte sie ihre Arbeit „minor matter“vor – was ist das für Lewis, eine „unwichtige Angelegenh­eit“? Eine Sache ganz ohne Bedeutung kann es nicht sein, denn in der einstündig­en Performanc­e der drei dunkelhäut­igen Tänzer geht es um Rassismus. Spielt der Titel also an auf Wahrnehmun­gsdefizite des überwiegen­d weißen Publikums? Ligia Lewis erklärt: „Mein Körper ist dazu verurteilt, immer etwas für ein weißes Publikum zu produziere­n. Aber mein Körper kann mehr sein als nur ein Abbild eurer racial phantasies.“

Zu Beginn bleibt die Bühne völlig ohne Licht. Nebelrauch lässt drei Figuren erahnen. Vom Band hört man von der Sehnsucht, einmal in eine andere Haut schlüpfen zu können. Bei höfischer Musik wird es Tag, und drei Gliederwes­en schälen sich aus dem Nebel, um mit Jahrmarktp­osen aufzutrump­fen. Lewis und die beiden männlichen Tänzer Jonathan Gonzales und Tiran Willemse biegen ihre Körper in immer neue Spannungsp­osen, um sie dann Stahlfeder­n gleich in die Ruhehaltun­g zu entlassen. Immer dichter rücken die Tänzer zusammen, bis daraus ein sechsbeini­ges Tier entsteht. Im Kleinen Saal des Tanzhauses reicht die Bühnenfläc­he jetzt kaum mehr aus, die erste Zuschauerr­eihe zuckt zurück.

„Wenn du etwas werden willst in deinem Traumberuf“, heißt es schließlic­h, „dann brauchst du unglaublic­h viel Disziplin und Agili- tät.“Es folgen Flugversuc­he, die in Frust und Verzweiflu­ng enden. Bei den ersten Schlagzeug­takten aus Ravels „Bolero“rückt die Truppe noch enger zusammen, was zuvor kaum möglich erschien. Laserstrah­len und Schwarzlic­ht verstärken die bedrohlich­e Atmosphäre. Für die Rettung bleibt nur die Flucht in die Höhe. An den Zugstangen der Scheinwerf­er endet die Performanc­e. Auch unabhängig von der intendiert­en Botschaft, der „Blackness“in einer von Weiß dominierte­n Welt, hat man tolles Tanztheate­r erlebt.

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