Rheinische Post Mettmann

INTERVIEW MATTHIAS KOEBERLIN „In unserer Gesellscha­ft guckt jeder weg“

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DÜSSELDORF Der Münchner Opferschut­zkommissar Carlos Benede betreut Kinder oder Jugendlich­e, die Zeugen eines Mordes oder einer schweren Straftat wurden. Eines Nachts wird ihm der elfjährige Alexander gebracht, dessen Mutter von ihrem Ehemann erstochen wurde. Benede nimmt sich des Jungen an, zunächst als Pflegekind, später adoptiert er ihn. Aus diesem wahren Fall hat das ZDF den Film „Der Polizist, der Mord und das Kind“(heute, 20.15 Uhr) gemacht. Matthias Koeberlin (43) spielt den Polizisten, Joshio Marlon den Jungen Alexander. Der Film beruht auf einer wahren Begebenhei­t. Ist eine solche Geschichte nachvollzi­ehbar? MATTHIAS KOEBERLIN Ich denke schon, dass das unter gewissen Umständen möglich ist. Es ist natürlich ein komplizier­ter, ein steiniger Weg. Aber wenn das Kind den Wunsch äußert, bei einem bestimmten Menschen leben zu wollen, und es für den entspreche­nden Erwachsene­n vorstellba­r ist, sollte eine solche Konstellat­ion klappen. Ist es schwierige­r, in die Rolle einer realen als in die einer fiktiven Person zu schlüpfen? KOEBERLIN Anders. Wenn man jemanden darstellen darf, der wirklich existiert und den man auch noch treffen kann, ist das eine andere, besondere Verantwort­ung. Ich habe Carlos damals gesagt, dass ich ihn nicht eins zu eins kopieren werde und ich mir alle Mühe gebe, dass er mit unserer Fassung seiner Geschichte glücklich ist und sich darin auch wiederfind­en kann. Wie war das Treffen? Hatte er auch Wünsche für den Film oder hat er gesagt, ihr macht

das schon? KOEBERLIN Nein, er hatte keine Wünsche. Wir waren beide auf das Treffen gespannt. Es war eine besondere Situation. Er hatte von Anfang an, was meine Person angeht, aber auch in die Regie und die Produktion ein großes Vertrauen und hat uns immer freie Hand gelassen. Mit dem Ergebnis war er sehr glück

lich. Das war für mich wichtig. Der Kommissar opfert seine Beziehung für das Kind. Würden Sie selbst so weit gehen? KOEBERLIN Natürlich stellt man sich diese Frage. Wie würde man selbst in einer solchen Situation handeln? Ich kann es nicht hundertpro­zentig sagen. Deswegen habe ich großen Respekt vor jemandem wie Carlos Benede. Eben weil ich nicht weiß, ob ich eine solche Entscheidu­ng mit solchen Konsequenz­en und einer solchen Tragweite fällen könnte. Haben Sie jemals schon mal etwas Privates, das Ihnen wichtig ist, für den Beruf geopfert? KOEBERLIN Mir geht natürlich teils Privatlebe­n flöten, das bringt der Job mit sich. Da gibt es die Momente, die man verpasst, wenn Schönes oder auch weniger Schönes passiert. Das ist nun mal so in meinem Beruf. Aber ich würde nie etwas dem Job zuliebe opfern, was meine Familie angeht. Eher andersheru­m. Häusliche Gewalt ist ein Dauerthema. Welche Aufgaben haben Nachbarn, Lehrer, andere Eltern? KOEBERLIN Wir leben in einer Zeit oder in einer Gesellscha­ft, in der jeder gerne wegguckt, es sei denn, es hat einen Unfall gegeben, und man kann noch schnell ein Foto machen. Das ist eine Entwicklun­g, die ich ziemlich beängstige­nd finde und die mich wütend macht. Ansonsten ist die Anteilnahm­e oder die Aufmerksam­keit, was links und rechts passiert, zum Beispiel in der Wohnung nebenan, oftmals nicht so groß. Es wird alles anonymer, obwohl wir uns vormachen, dass wir immer näher zusammenwa­chsen durch Facebook, Twitter und Co. Dabei habe ich das Gefühl, dass die Distanz zwi- schen den Menschen immer größer wird. Man sollte also die Augen aufhalten, aufmerksam sein und sich auch nicht scheuen, einfach zu klingeln und wenn nötig die Polizei zu rufen. Mussten Sie sich schon mal einmischen? KOEBERLIN Gott sei Dank nicht. Bisher war ich noch nie in einer Situation, in der ich dachte, hier passiert etwas, das gar nicht geht, hier muss etwas unternomme­n werden. Wenn so etwas passieren würde, bin ich aber sicher, dass ich einschreit­e und mich einmische. Sie sind Wahl-Kölner. Was ist so toll an Köln? KOEBERLIN Ja, das frage ich mich auch (lacht). Im Ernst, meine Frau kommt aus dem Rheinland. Als wir uns kennenlern­ten, lebte ich noch in Berlin. Aber da man die Kölner ja nur mit Gewalt aus ihrer Stadt herausbeko­mmt, war relativ schnell klar, wer seine Koffer packen muss – und das war in dem Fall ich. Ich habe ewig gesagt, ich bin Zwangsköln­er und nicht Wahlkölner, aber inzwischen lebe ich auch schon 15 Jahre in der Stadt und fühle mich sehr, sehr wohl. Also ich mag Köln aus vielerlei Gründen sehr gern oder überhaupt das Rheinland und habe die Entscheidu­ng nie bereut. Ich bin Kölner. Absolut. DAS GESPRÄCH FÜHRTE SASKIA NOTHOFER

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FOTO ZDF Matthias Koeberlin und sein Film-Sohn Joshio Marlon.

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