Rheinische Post Mettmann

China setzt auf die totale Kontrolle des Internets

- VON ANDREAS LANDWEHR

Die massive Zensur schottet nicht nur einfache Nutzer vom Rest der Welt ab, sondern wird auch zur Hürde für deutsche Unternehme­n.

WUZHEN (dpa) Die Top-Manager von Google, Facebook, Apple und Cisco pilgerten zur Welt-InternetKo­nferenz nach China und schmückten so die Propaganda­show der kommunisti­schen Führung, die mit der Konferenz ihre Version eines zensierten, reglementi­erten Internets propagiert. Nie zuvor war soviel Prominenz vertreten. Aber Google-Chef Sundar Pichai musste sich in einer Diskussion­srunde schon sehr auf die Zunge beißen. Google-Angebote sind in China komplett gesperrt. Genauso macht die „Große Firewall“soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter für die 750 Millionen chinesisch­en Nutzer unzugängli­ch.

Ganz freiwillig war die Teilnahme der westlichen Internet-Stars an der Konferenz also nicht: „Die Chinesen haben schwer Druck gemacht, dass die Amerikaner kommen“, berichtet ein Diplomat. Denn die dreitägige Konferenz, die von der staatliche­n Cyberverwa­ltung, den obersten Internetwä­chtern Chinas, veranstalt­et wird, leidet auch im vier- ten Jahr weiter an Attraktivi­tät. Leere Zuschauerr­eihen werden mit Studenten aufgefüllt.

Dort plädierte der Chef des chinesisch­en Ebay-Konkurrent­en Alibaba, Jack Ma, erst für „unabhängig­en, profession­ellen Journalism­us“, um dann im nächsten Satz für ein reglementi­ertes Internet zu werben. Ein Netz, das von gehorsamen Untertanen und Konsumente­n genutzt wird. „Es ist der richtige Zeitpunkt, um eine saubere, eine positive Cyberwelt zu bauen.“Es klingt fast wie eine Drohung, wenn Jack Ma sagt: „Alles was du in der Cyberwelt tust, hinterläss­t eine Spur.“

Was der Alibaba-Chef aber eben als Chance sieht, ist für andere eine große Gefahr. Keiner sammelt so viele Daten über seine Nutzer wie Chinas Tech-Giganten Alibaba und Tencent, keiner gibt sie auch so leicht an die Obrigkeit weiter, wie Kritiker warnen. Und in keinem anderen Land der Erde wird die Internetfr­eiheit so mit Füßen getreten wie in China. Drei Jahre in Folge hält das Reich der Mitte schon diesen unrühmlich­en Spitzenpla­tz in der jährlichen Studie der US-Denkfa- brik Freedom House, die sich weltweit für Demokratie einsetzt.

Der Druck auf die größte Internetge­meinde der Welt in China wächst noch. Nicht selten gebe es Haftstrafe­n, die von fünf Tagen bis zu elf Jahren reichten, heißt es in dem Jahresberi­cht von Freedom House. Nicht mehr vor allem Bürgerrech­tler oder Angehörige von Minderheit­en oder Religionsg­ruppen stünden im Visier der Internetwä­chter, sondern auch einfache Nutzer bekämen das repressive Regime zu spüren, heißt es darin weiter. Die Vorwürfe lauteten auf Sub- version, Separatism­us, Terrorismu­s, Verunglimp­fung oder schlicht „Ärger provoziere­n“, was allein schon für längere Haft ausreicht.

Die Internetko­ntrolle ist aber nicht nur ein Problem für Kritiker, sondern auch eine immer größere Hürde für Unternehme­n. Die Sperren und die langsame Internetge­schwindigk­eit nennen zwei von drei deutschen Firmen in China als Problem für ihre China-Geschäfte, wie die jüngste Umfrage der Auslandsha­ndelskamme­r zum Geschäftsk­lima ergab. Vor einem Jahr war es erst jedes zweite Unternehme­n. Erstmals gehören die Probleme mit dem Internet zu den fünf größten Sorgen deutscher Firmen in China.

Die Zensur wird immer schärfer. Von 1000 führenden Webseiten der Welt sind in China 171 unzugängli­ch. Mitte des Vorjahres waren es erst 138. „Zensurents­cheidungen sind willkürlic­h, undurchsic­htig und widersprüc­hlich, zum Teil weil so viele Individuen und Prozesse involviert sind“, stellt Freedom House fest. Ein Heer von Zensoren überwacht das Internet, löscht oder blockt als politisch heikel empfun- dene Informatio­nen und Posts. Ein nicht genanntes chinesisch­es Internet-Unternehme­n schätzte den Aufwand dafür allein auf 20 bis 30 Prozent seiner Arbeitskos­ten.

Das chinesisch­e Konzept der „Cyber-Souveränit­ät“einer Nation über das Internet, das Staats- und Parteichef Xi Jinping in einer Grußbotsch­aft an die Konferenz bekräftigt­e, wird längst aktiv in der Gesetzgebu­ng eingeführt. Das neue „CyberSiche­rheitsgese­tz“, das im Juni in Kraft trat, stößt internatio­nal auf Sorge. Wie es umgesetzt wird, ist weiter unklar. Ausländisc­he Unternehme­n wissen nicht, welche Daten sie auf Servern in China lokalisier­en oder ob sie ihre Verschlüss­elungscode­s aushändige­n müssen.

Auch der jetzt vorliegend­e Entwurf der Ausführung­sbestimmun­gen für den „grenzübers­chreitende­n Datentrans­fer“bestätigt die Befürchtun­g von Unternehme­n, dass damit auch Geschäftsg­eheimnisse abgezapft werden können. „Für viele Beobachter liegt die Vermutung nahe, dass chinesisch­e Behörden damit auch industriep­olitische Ziele verfolgen“, sagt ein Diplomat.

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FOTO: REUTERS Ein Sicherheit­sbeamter sitzt vor der Eröffnungs­veranstalt­ung in den noch leeren Stuhlreihe­n der 4. Welt-Internet-Konferenz in Wuzhen.

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