Rheinische Post Mettmann

Das Glocken-Wunder von Mettmann

- VON D. NEUBAUER UND S. MAGUIRE

Kirchenglo­cken waren immer auch Taktgeber des Ortes, gaben Alarm.

METTMANN So eine Kirchenglo­cke kann sich nicht einfach hängen lassen. Da täuschen sich selbst gläubige Menschen. Für sie hielt der Heimatfors­cher Karl Korn eine Arbeitspla­tzbeschrei­bung aus dem 16. Jahrhunder­t fest. Es handelt sich um eine Aufschrift auf der Anna-Glocke, die im Turm der Mettmanner Pfarrkirch­e St. Lambertus erklingt. Sie misst 1,42 Meter im Durchmesse­r und wiegt 1.530 Kilogramm. Karl Korn notierte die Aufschrift: „Getauft bin ich, denn ich heiße Anna. Ich preise den wahren Gott, rufe das Volk, versammle die Priester, ver- scheuche die bösen Geister und Gewitter, vor mir fliehen die Räuber.“

„Heiliger Bimmbamm!“– das klingt nach Multi-Tasking. Seit jeher war so ein Glockentur­m der Taktgeber eines Ortes. Die Glocken waren Andachtssi­gnal, aber auch Nachrichte­nklingel, Feuer-Alarm, Warnung vor Angreifern – ein mächtiges, klangvolle­s Facebook und What’s up aus dem Mittelalte­r. Heute machen unsere Handys leise „Ping“; vorausgese­tzt, man hat Netz!

So wie sich ihr Schall kreisförmi­g ausbreitet, legen sich die Legenden um die Glocken von St. Lambertus. Die mächtigste Erzählung stammt aus jenen katastroph­alen „1000 Jahren“voller Intoleranz und Willkür, Mord und Gewalt. Die Nazis hatten das Glockenmat­erial herausgeri­ssen. Der Rüstungsfu­ror gierte nach Metallnach­schub für Kanonen und Granaten.

In Hamburg türmten sich Metallhaub­en aus dem gesamten Reich zu einer Warte-Pyramide vor den Schmelzöfe­n. Die Glocken aus Mettmann blieben verschont und kehrten nach Kriegsende unversehrt zurück. Die RP hat diesen Moment dokumentie­rt. Es zeigt lauter Männer mit lachenden Gesichtern. Denn sie wissen, dass ein unheiliger Spuk beendet ist.

Die Anna-Glocke war aber nicht allein über dem Kirchensch­iff von St. Lambertus. Mit ihr aufnehmen konnte es die Sturmglock­e, die vor 300 Jahren als dritte im Bunde angeschaff­t wurde, um Alarm zu schlagen. Sie läutete immer dann, wenn es irgendwo brannte und die Feuerwehr alarmiert werden musste. Gewidmet war sie unter anderem dem Mettmanner Amtsrichte­r Sigismund Schwarz, der mit einem der letzten Hexenproze­sse im Rheinland von sich Reden gemacht hatte.

Als man mit der Sturmglock­e gerade die schwerste Glocke in den Lambertust­urm gehievt hatte, folgte wenig später noch die Ave-Glocke. Sie läutete fortan den Tag ein und abends aus. Bis 1972 geschah das in St. Lambertus noch von Hand. Wer im zugigen Kirchturm den Dienst an den Glockensei­len versehen hatte, war geläutert. Die Läute-Ordnung legte fest, wann welche Glocke ihren Dienst zu tun hatte. Mittlerwei­le erledigt das – ein Computer.

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RP-FOTO/ARCHIV: DIETRICH JANICKI Hubert Füngers betrachtet die Glocken in St. Lambertus – hier die große Glocke von 1727.

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