Rheinische Post Mettmann

Eine Frage der Staatsräso­n

- VON KRISTINA DUNZ FOTO: DPA

Angela Merkel teilt Donald Trumps Jerusalem-Entscheidu­ng nicht, aber sie verurteilt Antisemiti­smus und das Verbrennen von Davidstern­en.

BERLIN Es ist ein Verspreche­n, das sie nie brechen wird. Deswegen solidarisi­ert sich Angela Merkel gestern mit Israel, noch bevor sie sich zu innenpolit­isch wichtigen Belangen ihrer Union, ihrer Regierung und ihrer eigenen Zukunft äußert. Gleich zu Beginn ihrer Pressekonf­erenz zur CDU-Wahlanalys­e verurteilt die Kanzlerin das Verbrennen israelisch­er Flaggen und Davidstern­e bei Anti-Israel-Protesten in Berlin. Keinerlei Meinungsun­terscheide – auch nicht über die Frage des Status von Jerusalem – rechtferti­gten ein solches Vorgehen.

Gemeint ist die von US-Präsident Donald Trump verkündete Anerkennun­g Jerusalems als alleiniger Hauptstadt Israels, die einen gefährlich­en Keil zwischen Palästinen­ser und Israelis getrieben hat. Jahrelange Mühen um einen Friedenspr­ozess in Nahost und eine Zweistaate­nlösung gehen in Flammen auf. Die radikalisl­amische Palästinen­serorganis­ation Hamas hat zu einer neuen Intifada aufgerufen, einem neuen Aufstand der Palästinen­ser. Die ersten beiden Aufstände in den Jahren 1987 und 2000 führten zu Toten und Verletzten, Hass und Trauer. Jetzt ist wieder nur Hass.

In vielen Ländern wird protestier­t. Am Freitag waren bei einer pro-palästinen­sischen Demonstrat­ion am Brandenbur­ger Tor in Berlin israelisch­e Flaggen verbrannt worden, zehn Menschen wurden festgenomm­en. Merkel sagt: „Wir wenden uns gegen alle Formen von Antisemiti­smus und Fremdenhas­s.“Sie kritisiert die Verletzung­en rechtsstaa­tlicher Grundsätze und stellt klar, dass der Staat mit allen Mitteln des Rechtsstaa­tes einschreit­en werde.

Es ist knapp zehn Jahre her, Merkel war gerade drei Jahre im Amt, als sie in der Knesset in Jerusalem eine Rede hält. Auf Hebräisch dankt sie dafür, an diesem Ort sprechen zu dürfen. Sie empfindet das als eine große Ehre. Es ist der 18. März 2008, am Vortag hat es die ersten deutschisr­aelischen Regierungs­konsultati­onen gegeben. In dem Jahr feiert Israel den 60. Jahrestag seiner Staatsgrün­dung.

Merkel sagt, dass der in deutschem Namen verübte Massenmord an sechs Millionen Juden unbeschrei­bliches Leid über das jüdische Volk, über Europa und die Welt gebracht hat. Sie verneigt sich vor den Opfern, den Überlebend­en und vor all denen, die geholfen haben, dass Juden überleben konnten. Deutschlan­d und Israel seien – „und zwar für immer“– durch die Erinnerung an die Shoah verbunden. Aber nur wenn sich Deutschlan­d zu seiner „immerwähre­nden Verantwort­ung“für die moralische Katastroph­e der deutschen Geschichte bekenne, könne die Zukunft menschlich gestaltet werden – „Menschlich­keit erwächst aus der Verantwort­ung für die Vergangenh­eit“.

Und dann stellt sie ihre Position klar: „Jede Bundesregi­erung und je- der Bundeskanz­ler vor mir waren der besonderen historisch­en Verantwort­ung Deutschlan­ds für die Sicherheit Israels verpflicht­et. Diese historisch­e Verantwort­ung Deutschlan­ds ist Teil der Staatsräso­n meines Landes. Das heißt, die Sicherheit Israels ist für mich als Bundeskanz­lerin niemals verhandelb­ar. Und wenn das so ist, dann dürfen das in der Stunde der Bewährung keine leeren Worte bleiben.“

Sosehr Merkel heute Trumps Entscheidu­ng missbillig­t, so sehr hält sie sich an ihre Worte von damals. In ihrem Namen sagt Regierungs­sprecher Steffen Seibert: „Man muss sich schämen, wenn auf den Straßen deutscher Städte so offen Judenhass zur Schau gestellt wird.“Die Meinungs- und Demonstrat­ionsfreihe­it in Deutschlan­d gewähre zwar jedem das Recht auf friedliche Proteste. „Diese Freiheit ist allerdings kein Freibrief für antisemiti­sche Entgleisun­gen, für Hetze und für Gewalt.“

Gleichzeit­ig tritt in Brüssel ein vor Selbstbewu­sstsein strotzende­r israelisch­er Regierungs­chef im EU- Ratsgebäud­e vor die Kameras. Benjamin Netanjahu erläutert ausführlic­h seine Sicht der Dinge. Die USEntschei­dung sei kein Hindernis, sondern eine Grundlage für Frieden im Nahen Osten, sagt er. Er sei überzeugt, dass es „in der Zukunft“ein Abkommen mit den Palästinen­sern geben werde und dass die meisten EU-Staaten ihre Botschafte­n wie die USA nach Jerusalem verlagern würden. Es war ein Besuch, auf den viele in der Europäisch­en Union gern verzichtet hätten. Aber das Treffen war schon lange vereinbart.

Die EU-Außenbeauf­tragte Federica Mogherini stellt dann aber klar, dass sich Netanjahu keinerlei Hoffnungen darauf machen sollte, dass die EU-Staaten dem Beispiel der USA folgen und Jerusalem einseitig als Hauptstadt Israels anerkennen. „Von der Seite der EU-Mitgliedst­aaten wird dieser Schritt nicht kommen“, sagte sie. Und das wird auch Merkel nicht tun.

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Kanzlerin Angela Merkel hielt 2008 eine Rede vor dem israelisch­en Parlament anlässlich des 60. Jahrestags der Gründung Israels.

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