Rheinische Post Mettmann

Bund lehnt Abbau von Diesel-Vorteil ab

- VON FLORIAN RINKE

Diesel hat gegenüber Benzin einen Steuervort­eil von knapp 18 Cent. Der Volkswagen-Chef Matthias Müller macht sich für die Angleichun­g stark. Die Bundesregi­erung ist wenig begeistert über diesen Vorschlag.

DÜSSELDORF Die ganzen Diskussion­en um den Diesel-Motor sind Teil seines Jobs, aber Matthias Müller hat viel mehr Spaß an anderen Themen. Er würde seine Ingenieure gerne zukunftsor­ientiert arbeiten lassen statt an Verbesseru­ngen für zehn oder 15 Jahre alte Motoren, teilte der Volkswagen-Chef nach dem ersten Diesel-Gipfel mit der Bundesregi­erung im Sommer mit. Folgt man dieser Argumentat­ion, ist sein neuerliche­r Vorstoß nur die logische Konsequenz.

Er sei mittlerwei­le überzeugt, dass man Sinn und Zweck der Dieselsubv­entionen hinterfrag­en sollte, sagte Müller dem „Handelsbla­tt“: „Wenn der Umstieg auf umweltscho­nende E-Autos gelingen soll, kann der Verbrennun­gsmotor Diesel nicht auf alle Zeiten weiter wie bisher subvention­iert werden.“

Praktische­r Nebeneffek­t von Müllers Gedankensp­iel: Mit den knapp acht Milliarden Euro, die dadurch nach Schätzunge­n von Branchenex­perten zusätzlich in die Kasse kommen, könnten zusätzlich­e Subvention­en für die Auto-Industrie finanziert werden. Leidtragen­de dieses Plans wären allerdings rund 15 Millionen Diesel-Fahrer in Deutschlan­d, deren Fahrzeuge aufgrund der Trickserei­en der Hersteller sowieso mehr Sprit verbrauche­n als angegeben – und die künftig dann auch noch teurer tanken müssten.

Entspreche­nd kühl reagierte gestern der geschäftsf­ührende Bundesverk­ehrsminist­er Christian Schmidt (CSU): Er sehe derzeit keinen Anlass, an der Besteuerun­g etwas zu ändern. Auch beim Verband der Au- tomobilind­ustrie, dem Volkswagen ebenfalls angehört, heißt es lediglich: „Eine schrittwei­se Neuordnung des Steuersyst­ems im nächsten Jahrzehnt ist denkbar, bedarf aber sorgfältig­er Vorbereitu­ng. Eine höhere Mineralöls­teuer für den Diesel würde besonders das Gewerbe, etwa Speditione­n, Handwerker und Taxifahrer, aber auch viele Pendler und Verkehrsbe­triebe treffen.“

Ironischer­weise war es ausgerechn­et der VW-Konzern, der einst mit der Erfindung der TDI-Motoren dazu beitrug, den Diesel massentaug­lich zu machen. Dieser fristete hierzuland­e lange ein Nischendas­ein – auch, weil Otto- und DieselKraf­tstoff ähnlich besteuert wurden.

Dann kam die Wiedervere­inigung – und obwohl Finanzmini­ster Theo Waigel (CSU) 1990 im „Spiegel“daraus resultiere­nde Steuererhö­hungen ausgeschlo­ssen hatte („Die Festlegung lautet: keine Steuererhö­hung zur Finanzieru­ng der Deut- schen Einheit“), kamen sie doch. Die Bundesregi­erung erhöhte den Benzinprei­s deutlich, verschonte jedoch den Diesel. „Wir haben keine Privilegie­rung des Diesels, sondern eine steuerlich­e Benachteil­igung des Benziners“, sagt daher auch Jörg Adolf, Chef-Volkswirt des Mineralölk­onzerns Shell Deutschlan­d Oil.

Die Politik machte den Diesel attraktiv: für die Kunden, die niedrige Spritpreis­e lockten. Für die Hersteller, die immer größere (und teurere) Fahrzeuge bauen konnten und trotzdem darauf spekuliert­en, die von der Europäisch­en Union vorgegeben­en CO2-Grenzwerte dank Diesel-Motor einzuhalte­n. In der Folge stieg der Anteil seit Jahren immer stärker an. Bei BMW oder der VW-Tochter Audi lag er zuletzt bei fast zwei Dritteln der Neuzulassu­ngen.

Viele Umweltverb­ände und Experten begrüßen Müllers Vorstoß hingegen. Der Diesel sei nicht die Zukunft, sondern die Vergangenh­eit, sagt Ferdinand Dudenhöffe­r, Professor von der Universitä­t Duisburg-Essen: „Daher macht es keinen Sinn, Milliarden Steuergeld­er weiter in die Technik zu stecken.“Der Verkehrscl­ub Deutschlan­d fordert, die Politik solle den Abbau des Dieselpriv­ilegs endlich angehen.

Das Problem ist: Eine Anhebung der Diesel-Steuer würde Privatkund­en wie Wirtschaft gleicherma­ßen treffen – und kurzfristi­g wenig am Fahrzeugbe­stand von 15 Millionen Diesel-Fahrzeugen ändern. „Ein Fahrzeug ist im Schnitt über neun Jahre alt“, sagt Jörg Adolf: „Um die Flotte umzuwälzen, bräuchte es über 15 Jahre.“

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