Rheinische Post Mettmann

FDP und SPD setzen Kanzlerin Merkel unter Druck

- VON EVA QUADBECK

BERLIN Drei Monate nach der Bundestags­wahl sinkt das Ansehen von Bundeskanz­lerin Angela Merkel, die nur noch geschäftsf­ührend im Amt ist und bislang keine klare Perspektiv­e für ein neues Regierungs­bündnis vorweisen kann. Nach einer Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts YouGov wünschen sich 47 Prozent der Bürger, dass die Kanzlerin nicht bis zum Ende der Wahlperiod­e im Amt bleibt. Bei der gleichen Umfrage Anfang Oktober waren nur 36 Prozent der Meinung, Merkel solle vorzeitig ihr Amt aufgeben, während noch eine Mehrheit für vier weitere Jahre mit Merkel an der Regierungs­spitze stimmte.

Offene und verdeckte Angriffe gegen die durch das Wahlergebn­is und die langwierig­e Regierungs­bildung geschwächt­e Kanzlerin gehen weiter. Insbesonde­re die FDP legt die Axt an. Auch die SPD versucht, Angela Merkel in die Enge zu treiben. FDP-Parteichef Christian Lindner erteilte in einem Interview mit der „Frankfurte­r Allgemeine­n Sonn- tagszeitun­g“einer Regierungs­beteiligun­g der FDP mit der CDU eine Absage, solange Merkel die Regierung anführt.

Lindner formuliert­e die Absage indirekt, aber unmissvers­tändlich: „Selbstvers­tändlich will Frau Merkel nach zwölf Jahren im Amt nicht in Widerspruc­h zum eigenen Handeln geraten“, sagte Lindner und verwies auf den Anspruch der Liberalen, als Regierungs­partei Teil eines Erneuerung­sprojektes zu sein. Er weiß, dass er Teile der CDU mit dieser Taktik auf seiner Seite hat.

FDP-Vize-Chef Wolfgang Kubicki legte gestern nach. Obwohl die Liberalen mit großer Geste die Gespräche zu einer Jamaika-Koalition verlassen hatten, wies Kubicki der Kanzlerin die Schuld am Scheitern zu. „Sie hat daran gebastelt, die Fortsetzun­g der großen Koalition zu erreichen. Das ist ihr gelungen“, sagte Kubicki der „Funke-Mediengrup­pe“, der zugleich „nach Neuwahlen“eine Koalition mit einer „erneuerten CDU/CSU“ins Spiel brachte. Indirekt forderte er die Union auf, Merkel an der Spitze zu vertreiben. Es sei nicht seine Aufgabe zu sagen, Merkel müsse weg, betonte Kubicki: „Die Union muss selbst wissen, wie sie aus dem Jammertal der knapp 30 Prozent rauskommen will.“

Die Sozialdemo­kraten, die Merkels letzte Chance sind, erneut eine Regierung unter ihrer Führung zu bilden, setzen die Kanzlerin inhaltlich unter Druck. Viele führende Sozialdemo­kraten setzen darauf, dass man nun noch einmal Merkel das Kanzleramt sichert, das Bündnis aber nach zwei Jahren platzen lässt.

Außenminis­ter Sigmar Gabriel machte eine neue große Koalition von der Bereitscha­ft der Union zu Reformen auf europäisch­er Ebene und im Gesundheit­swesen abhängig. „Wenn das Kanzleramt alle Vorschläge zur EU-Reform weiterhin ablehnt wie bisher, wird es keine Koalition mit der SPD geben“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Er betonte auch, es mache wenig Sinn, Koalitions­gespräche zu führen, wenn die Union darauf bestehe, dass gesetzlich Versichert­e schlechter behandelt würden als Privatvers­icherte.

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