Kein Gatter für Pferde
Poesie aus Kirgistan: Aktan Arym Kubats Film „Die Flügel der Menschen“.
(dpa) Wenn Zentaur reitet, dann hält er sich dabei nicht am Zaumzeug des Pferdes fest. Der alte Mann reißt die Arme im Galopp weit nach oben, dem Himmel über Kirgistan weit entgegen. „Pferde sind die Flügel der Menschen“, lautet ein Sprichwort dort – und der zweite Teil dieses Satzes ist nun der Titel eines poetischen Spielfilms, in dem Regisseur Aktan Arym Kubat auch die Hauptrolle des sentimentalen Zentaur übernimmt.
Der schlägt sich in der weitläufigen Gras- und Steppenlandschaft tagsüber als Hilfsarbeiter auf Baustellen durch und ernährt so seine taubstumme Frau und den fünfjährigen Sohn. Früher war er Vorführer alter Filme für die wenigen Menschen seines Dorfs, und noch heute liegt in seinen sanften Augen ständig die Sehnsucht nach den Legenden einfacherer Zeiten.
Doch auch durch die Gesellschaft Kirgistans geht bereits ein Riss, denn neben Zentaur und seinem einfachen Leben sind andere längst zu Geld gekommen. Sie leisten sich teure Rennpferde – für ihn ein Verrat am stolzen Erbe der gemeinsamen Vorfahren und den Werten ihres Volkes. Nachts schleicht er in die Ställe und befreit die Tiere. Um Geld oder Ruhm geht es ihm nicht, stattdessen sehnt er sich nach einer Zeit, als der Zusammenhalt seiner Gesellschaft stark war und mehr Menschen mit ihren Wurzeln, Legenden und Mythen verbunden waren.
Es ist der sechste Spielfilm Kubats, der im Jahr 1998 den ersten Film des unabhängigen Kirgistans überhaupt vorgelegt hat. Mit „Die Flügel der Menschen“(im Original nach seiner Hauptfigur „Centaur“betitelt) hat er nun bei der Berlinale in der Panorama-Sektion den Preis des Internationalen Verbands der Filmkunsttheater gewonnen. Und auch bei den Oscars ist er für Kirgistan als bester fremdsprachiger Film ins Rennen gegangen, kam aber nicht auf die Shortlist.
Möglicherweise liegt das am ungewöhnlichen Thema und dessen Umsetzung: Kubat erzählt seine Geschichte in einer Geschwindigkeit, die unseren Sehgewohnheiten nicht mehr entspricht. Wer sich aber darauf einlässt, findet hier einen Film, der die Natur, die Menschen und ihre Legenden feiert.
Kirgistan/ Niederlande/Frankreich/Deutschland/Japan 2017, 89 Min., FSK ab 6, von Aktan Arym Kubat, mit Aktan Arym Kubat, Nuraly Tursunkojoev, Zarema Asanalieva