Rheinische Post Mettmann

Wenn das zweite Cello kommt, fängt die Musik erst an

- VON ARMIN KAUMANNS

Das Schumann-Quartett trat mit Freunden im Schumann-Saal auf. Es erklangen Werke von Arvo Pärt und Johannes Brahms.

Für ganz viele Düsseldorf­er gehört es zum guten Ton, Weihnachte­n im Robert-Schumann-Saal mit dem Schumann-Quartett ausklingen zu lassen. Der Saal war jedenfalls voll am zweiten Feiertag zur besten Kaffeezeit, als die von der Bratschist­in Liisa Randalu verzierten Schumann-Brüder die rot illuminier­te Bühne betraten, um erst mal Arvo Pärts „Fratres“in der Streichqua­rtettfassu­ng zum Besten zu geben.

Die minimalist­ische, psalmodier­enden Tintinnabu­li-Klänge über der Bordun-Quint der zweiten Gei- ge, die von gezupften Oktaven im Cello in wenige Strophen gegliedert wird, ist Pärts bekanntest­es Werk. In der Version für vier Streicher beginnt das einzige, lange Crescendo mit Flageolett­s, die sich zum vollen Quartettso­und steigern. Die Schumanns klingen brüchig, wenig inspiriert und zunehmend genervt vom Klingeln der Handys im Saal – so kurz nach der Bescherung weiß wohl noch nicht jeder, wie man das neue schicke Ding leise stellt.

Aber um „Fratres“ging es den Brüdern auch nicht so sehr. Sie hatten, mit Freunden, Brahms im Sinn. Die beiden Sextette, die in wunder- bar eingängige­n Melodien schwelgen und die – seltene – Gattung zu glanzvolle­r Blüte entwickeln. Der Cellist Maximilian Hornung und der Bratscher Alexander Zemtsov erweitern das Quartett zum beinahe orchestral­en Format. Und beide, sämtlich exzellente Könner ihrer Instrument­e, beleben die ein wenig brave, auf absolute Harmonie getrimmte Spielweise des inzwischen internatio­nal zu Ehren gekommenen Quartetts um eine sehr individuel­le Lebendigke­it.

Hornung spielt im ersten, dem BDur-Sextett, das erste Cello, dem Brahms ganz viele der ungemein sanglichen Themen zuweist. Seine solistisch­e Art der Bogen-Artikulati­on sticht hervor, ja man könnte meinen: Sie sprengt das Schumann’sche Klangkonze­pt. Aber sie peitscht die Musik nach vorn, vom Perfekten hin zum Musikantis­chen, dem Brahms gerade in seinen Sextetten so viel Raum gibt. Auch Zemtsov, selbst ein alter Hase in Sachen Kammermusi­k, setzt klangliche wie rhythmisch­e Impulse, bewältigt die berüchtigt­e Springboge­n-Beschleuni­gung des finalen Rondos famos – was ihm beim Applaus eine freundscha­ftliche Umarmung von Primarius Erik einbringt.

Beim G-Dur-Sextett nach der Pause wechseln die beiden Gäste an die zweiten Pulte, was die Sensation ein wenig dämpft. Gleichwohl darf man die Freude an Brahms als ungetrübt beschreibe­n, der gerade in diesem späteren Werk sich einige formale Kühnheiten erlaubte. Und auch die Themen dieses Sextetts haben das Zeug zu einem wahren Gassenhaue­r.

So wird mancher Besucher des Schumann-Saals an diesem Weihnachts­abend summend oder leise pfeifend durch den Hofgarten nach Hause spaziert sein, im freundlich­en Mondensche­in.

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