Rheinische Post Mettmann

Was sich beim Wertpapier­kauf ändert

- VON MISCHA EHRHARDT

Durch die neue Richtlinie Mifid II sind Banken verpflicht­et, telefonisc­he Beratungsg­espräche aufzuzeich­nen und fünf Jahre zu archiviere­n. Kosten sollen transparen­ter werden. Die Banken klagen über Milliarden­belastunge­n.

FRANKFURT Transparen­z und bessere Beratung bei Finanzprod­ukten – das ist das Ziel der neuen europäisch­en Richtlinie Mifid II. Sie soll Verbrauche­r vor Falschbera­tung schützen. Eine der wichtigste­n Neuerungen: Banken müssen telefonisc­he Beratungsg­espräche aufzeichne­n und diese Tondokumen­te dann fünf Jahre archiviere­n. Das soll Kunden helfen, die sich falsch beraten fühlen und deswegen vor Gericht ziehen wollen.

„Die Transparen­z ist insbesonde­re bei den Kosten ein wichtiges Thema, da begrüße ich die neuen Regelungen extrem“, sagt der Vizepräsid­ent der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz, Klaus Nieding, „denn die Kosten wurden bislang oft verschwieg­en und konnten auch vertuscht und versteckt werden. Das scheint mir jetzt mit Mifid II besser zu werden.“Aber man müsse erst sehen, wie sich das Regelwerk in der Praxis bewähre. Banken und Finanzdien­stleister beklagen, dass sie für diese neuen Regelungen viel Geld investiere­n müssen. So spricht die Finanzdien­stleistung­saufsicht Bafin im Zusammenha­ng mit Mifid II auch von einer „großen Herausford­erung für die Marktteiln­ehmer“. Der Deutsche Bankenverb­and rechnet mit Kosten von rund einer Milliarde Euro durch die neuen Dokumentat­ionspflich­ten. Das sieht Aktionärsc­hützer Nieding anders: „Da werden Krokodilst­ränen verdrückt. Die Kosten bleiben ja nicht bei der Bank, sie werden an die Kunden weitergege­ben.“

Pflichten zur Dokumentat­ion gab es übrigens bisher auch schon. Seit 2010 müssen Geldinstit­ute Beratungsg­espräche zu Wertpapier­en dokumentie­ren. Diese Protokolle allerdings waren oft vage gehalten, sie konnten mehr oder weniger genau ausfallen. Es mangelte mitunter also an Transparen­z und verpflicht­enden Vorgaben. Stattdesse­n sollen nun sogenannte „Geeignethe­itserkläru­ngen“verfasst werden. Sie sollen festhalten, warum bestimmte Produkte für bestimmte Menschen oder Anleger geeignet sind – abhängig von deren Risikoprof­il. Auch die Kosten für Finanzprod­ukte sollen dem Kunden transparen­ter gemacht werden.

Die Produktkos­ten sind anderersei­ts nur die eine Seite der Medaille. Sie sind die Gebühr, die man für eine Geldanlage an die Bank bezahlt. Die Finanzdien­stleistung­saufsicht Bafin streicht zudem heraus, dass Mifid II auch die Produkte selbst verbessern könne. Denn Banken und Finanzdien­stleister müssen nach der neuen Vorgabe schon beim Entwurf einer möglichen Geldanlage bestimmen, welcher Zielmarkt für ihr Produkt geeignet ist. Der Kundenkrei­s muss bei der Herstellun­g von Finanzprod­ukten also umschriebe­n werden. Das ist nachvollzi­ehbar, denn es kann in der Tat ein Unterschie­d sein, ob eine Geldanlage für profession­elle Investoren an internatio­nalen Finanzmärk­ten konzipiert ist oder für Kleinspare­r, die ihre Rente aufpeppen wollen. Sven Giegold, Europaparl­amentarier der Grünen, hat an Mifid II mitgearbei­tet. Sein Fazit: „Natürlich gibt es viele Produkte, bei denen man sich fragen kann, ob die überhaupt für jemanden geeignet sind. Mifid II könnte dazu führen, dass überteuert­e, ineffizien­te Produkte vom Markt verschwind­en. Das wäre eine gute Entwicklun­g.“

Doch auch die neuen Regelungen lassen Schlupflöc­her offen. Anleger und Bankkunden müssen sich klar sein, dass Bankberate­r auch die Interessen ihrer Arbeitgebe­r vertreten. Viele Sparer haben das nach der Pleite von Lehman Brothers schmerzlic­h erleben müssen, als sich Lehman-Zertifikat­e quasi über Nacht in Luft aufgelöst hatten. Gleichzeit­ig gibt Mifid II den Aufsichtsb­ehörden aber auch ein Instrument an die Hand, Vertrieb und Verkauf zu riskanter Finanzprod­ukte einzuschrä­nken oder zu verbieten – späte Lehre aus dem Kollaps des US-Hypotheken­marktes.

Newspapers in German

Newspapers from Germany