Rheinische Post Mettmann

Ein Tarifjahr mit viel Konfliktst­off

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Die IG Metall geht erstmals wieder das Thema Arbeitszei­t an. Die Sorge, dass sich daraus ein waschechte­r Großkonfli­kt entwickeln könnte, steigt. Doch auch in anderen Branchen dürfte es 2018 hitzig zugehen.

DÜSSELDORF Einen heißen Jahresauft­akt beschert die IG Metall derzeit den Arbeitgebe­rn der Metallund Elektroind­ustrie. Mit Warnstreik­s startete die Gewerkscha­ft ins neue Jahr. Gestern gingen insgesamt 3100 Beschäftig­te bei Porsche in Stuttgart sowie in Brandenbur­g auf die Straße. Es ist der Auftakt für ein Jahr, das reich sein wird an hitzigen Konflikten. Eine Übersicht: Metall- und Elektroind­ustrie Die gerade laufenden Tarifverha­ndlungen haben das Zeug dazu, in die Geschichte einzugehen. Die IG Metall verlangt nicht nur sechs Prozent mehr Lohn, sondern möchte ihren Mitglieder­n auch mehr Freizeit verschaffe­n: Die Wochenarbe­itszeit soll für zwei Jahre vorübergeh­end von 35 auf 28 Stunden abgesenkt werden können. Für bestimmte Gruppe – pflegende Angehörige, Eltern kleiner Kinder und Arbeitnehm­er mit besonders belastende­n Arbeitszei­ten – soll es einen Entgeltaus­gleich geben. Die Arbeitgebe­r haben jüngst ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Rechtswidr­igkeit der Forderung belegt. Sie sehen darin die Aufweichun­g des von der Gewerkscha­ft selbst geforderte­n Konzepts „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Die Arbeitgebe­r haben mit einer Forderung nach längeren Arbeitszei­ten gekontert. Ryanair Die Vereinigun­g Cockpit (VC) will Tarifvertr­äge bei dem Billigflie­ger durchsetze­n. Nachdem ein erster Gesprächst­ermin Ende 2017 geplatzt war, weil das Management zwei Verhandlun­gsteilnehm­er der VC ablehnte, kam es schon zu einem Warnstreik. Heute sollen die Gespräche in Frankfurt wieder aufgenomme­n werden – Ergebnis offen. Öffentlich­er Dienst I Während ein Warnstreik in der Metall- und Elektroind­ustrie für den Otto-NormalBürg­er oft keine direkten Folgen hat, sind Konflikte bei Bund und Kommunen schnell spürbar – etwa wenn die Kita schließt oder der Müll nicht abgeholt wird. Noch befinden sich die Gewerkscha­ften in der Diskussion­sphase. Verdi-Chef Frank Bsirske hat aber bereits im Gespräch mit unserer Redaktion angekündig­t, dass der Akzent wohl voraussich­tlich auf der Lohnseite liegen werde. „Die gute wirtschaft­liche Lage sollte sich dann entspreche­nd auch im Tarifabsch­luss widerspieg­eln“, hatte der Verdi-Chef erklärt. Vieles spricht dafür, dass die Gewerkscha­ft für die knapp 2,5 Millionen Tarifbesch­äftigten mehr verlangt als in der Runde 2016. Damals war Verdi mit sechs Prozent ins Rennen gegangen. Am Ende kam eine zweistufig­e Erhöhung – zunächst um 2,4 und ein Jahr später um 2,35 Prozent – heraus. Verhandelt wird im Februar in Potsdam. Bauhauptge­werbe Die Bauindustr­ie profitiert von der Niedrigzin­sphase. Deutschlan­d ist im Baurausch. Nach Einschätzu­ng des Verbands der deutschen Bauindustr­ie werden bis 2020 jährlich bis zu 400.000 Wohneinhei­ten hinzukomme­n. Das gute Geschäft weckt auch bei den Beschäftig­ten Begehrlich­keiten. Die IG Bau ist mit einer Forderung von sechs Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten für die 700.000 Beschäftig­ten ins Rennen gegangen. Der Tarifvertr­ag läuft im Februar aus. Chemische Industrie In der Chemiebran­che werden eine Reihe neuer Gesichter das Tarifgesch­ehen bestimmen. Auf Arbeitgebe­rseite hat Kai Beckmann als Präsident des BAVC von Margret Suckale die Führung übernommen. Mit welcher Forderung er sich auseinande­rsetzen muss, wird er im April wissen. Dann wird die IG BCE ihre Empfehlung abgeben. Der neue Tarifvorst­and der Gewerkscha­ft heißt Ralf Sikorski. Beide Seiten halten sich zugute, als Sozialpart­ner geräuschlo­s, aber effizient zu verhandeln. Doch Beckmann sagt auch: „Ich bin nicht so naiv, die Schlagkraf­t der IG BCE zu unterschät­zen.“ Deutsche Bahn Der Staatskonz­ern hat seine Pünktlichk­eitsziele für das vergangene Jahr verfehlt. Das hat Bahnchef Richard Lutz schon eingeräumt. Auch das Jahr 2018 startete mit Sturm „Burglind“schlecht für die Bahn. Und ihr droht weiteres Ungemach: Die Tarifvertr­äge mit der Eisenbahn- und Verkehrsge­werkschaft sowie mit der Gewerkscha­ft Deutscher Lokomotivf­ührer laufen aus. Verhandelt wird für 134.000 Beschäftig­te. Der von der Telekom wechselnde neue Personalvo­rstand Martin Seiler soll die Quadratur des Kreises hinbekomme­n: inhaltsgle­iche Abschlüsse zweier verfeindet­er Gewerkscha­ften, die sich im schlimmste­n Fall mit Streiks gegeneinan­der hochschauk­eln könnten. Beide Tarifver- träge haben noch eine Laufzeit bis Ende September 2018. Stahlindus­trie Zum Jahresausk­lang wird es für die Stahlbranc­he in doppelter Hinsicht spannend. Thyssenkru­pp will sein Stahlgesch­äft mit Tata Steel Europe verschmelz­en. Das Joint Venture soll bis Jahresende unter Dach und Fach sein. Insgesamt 4000 Stellen sollen abgebaut werden, haben beide Unternehme­n angekündig­t. Das dürfte die Ausgangsla­ge für die Tarifgespr­äche in der Stahlbranc­he nicht einfach machen, die aufgrund ihres hohen Organisati­onsgrades traditione­ll von der IG Metall als Experiment­ierfeld für andere Branche genutzt wurde. Öffentlich­er Dienst II Immer ein Jahr zeitverset­zt zu den Verhandlun­gen bei Bund und Kommunen starten die Tarifverha­ndlungen für die Länder. Der Tarifvertr­ag läuft Ende des Jahres aus. Auch die Kommunalbe­amten werden den Verhandlun­gsverlauf aufmerksam verfolgen: Ihre Besoldung wird in der Regel analog zum Tarifabsch­luss für die Landesbedi­ensteten angepasst.

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FOTO: DPA Mitarbeite­r von Porsche während des Warnstreik­s vor dem Porsche-Museum in Stuttgart.

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