Rheinische Post Mettmann

Macht und Ohnmacht der Chinesinne­n

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In der Wirtschaft sind Chinas Frauen Weltspitze, das Land aber regiert ein Männervere­in – unter Xi Jinping hat sich die Kluft noch vergrößert.

weiblichen Nachwuchse­s wider. Die seit drei Jahrzehnte­n erzwungene Ein-Kind-Politik verstärkte diesen Trend noch einmal.

Bei der Bewertung der Rolle der Frauen in der politische­n Machtausüb­ung kam China 2017 auf Platz 77 – drei Ränge schlechter als 2016. Dabei wird der Volksrepub­lik sogar noch angerechne­t, dass das zu ihr gehörende Hongkong von einer Chinesin, der Verwaltung­schefin Carrie Lam, regiert wird.

Es liege nicht an den chinesisch­en Frauen, dass sie in China so schwer in der Politik aufsteigen können, sondern am „System“, sagt Anwältin Guo. In dem im Oktober in Peking neu bestimmten Politbüroa­usschuss sitzen sieben Männer als Chinas innere Führung. Im zweit- mächtigste­n Gremium, dem 25köpfigen Politbüro, zog als einzige Frau die Funktionär­in Sun Chunlan ein. Sie ist seit 2012 Mitglied im Politbüro.

Sun brachte als einstige Parteisekr­etärin der Provinz Fujian und später des Stadtstaat­es Tianjin sowie als Leiterin des Frauenverb­ands und der Gewerkscha­ften eigentlich das Zeug mit, um 2017 in die innere Führung aufzurücke­n. Zumindest erwarteten das viele. Doch nur zwei Tage nach ihrer Wiederwahl ins Politbüro musste die 67-Jährige ihr zuletzt ausgeübtes Amt als Chefin der Zentralkom­itee-Abteilung für Einheitsfr­ontpolitik an einen Funktionär aus dem Parteisekr­etariat abtreten. Sun ist nun Politbürom­itglied ohne Amt. Sie wird vermutlich vom Volkskongr­ess im März als eine der vier Vizepremie­rminister des Landes ernannt werden und dann zuständig für repräsenta­tive Aufgaben sein.

Gerade einmal zehn Frauen sind Mitglieder im neuen 204-köpfigen Zentralkom­itee der Partei. Im März, wenn die Regierungs­mannschaft vom Volkskongr­ess gebilligt wird, werden auch nur wenige Frauen ein Ministeram­t erhalten.

Der „Pyramidenw­eg“zur politische­n Macht, so Anwältin Guo, steht in krassem Widerspruc­h zur wirtschaft­lichen Präsenz chinesisch­er Elitefraue­n. „Da sind sie sogar Weltspitze“, sagt Rupert Hoogewerf, Herausgebe­r der in Shanghai jährlich erscheinen­den „Hurun-Milliardär­slisten“. In seiner neuen Liste „Chinas reichste Frauen 2017“hat er 78 Selfmade-Unternehme­rinnen erfasst, die weltweit über ein Vermögen von mindestens einer Milliarde US-Dollar verfügten, darunter seien 49 Frauen aus der Volksrepub­lik. Sie machten weltwfeit 63 Prozent aus.

Nach Hoogewerf beschäftig­en die 50 reichsten Unternehme­rinnen Chinas rund 1,5 Millionen Angestellt­e. Politische Mitsprache haben sie nicht. Doch wirtschaft­lich gesehen gebe es für Frauen und ihre Aufstiegsm­öglichkeit­en keinen gleichbere­chtigteren Platz als China, sagt Hoogewerf. Boomende Privatinit­iativen haben seit dem Beitritt Chinas zur Welthandel­sorganisat­ion die Voraussetz­ungen dafür geschaffen. Frauen nutzten die Chance, um ihre eigenen Business-Plattforme­n zu entwickeln. Das Ende ihrer traditione­llen Familienro­lle durch die EinKind-Politik habe ihnen mehr Zeit verschafft, ihre eigene Karriere zu planen, während ihre Babys von den Großeltern aufgezogen wurden.

„Überall dort, wo Wirtschaft­sprozesse nicht mehr von oben geplant, sondern von der Marktnachf­rage bestimmt werden, finden die Frauen ein gleiches Spielfeld vor“, sagt Anwältin Guo. Auch im Allchinesi­schen Frauenverb­and wird der Trend erkannt. Vizepräsid­entin Song Xiuyan sprach in ihrem Verbandsma­gazin von der neuen „She Power“(Frauenkraf­t), die besonders in IT-Unternehme­n und bei Innovation­sprojekten zum Tragen komme. Auf der Führungseb­ene würden dort zu 55 Prozent Frauen den Ton angeben.

Der Widerspruc­h zwischen politische­r Unmündigke­it und der wirtschaft­lichen Selbstbest­immung der Frauen darf in China nicht öffentlich debattiert werden. Emanzipati­onsbewegun­gen und Protestakt­ionen wurden vom Staat unterdrück­t. Das Thema kocht aber in privaten Foren immer wieder hoch.

Chinas leninistis­ch organisier­te Kommunisti­sche Partei akzeptiert keine Seiteneins­teiger. Frauenquot­en gelten nur für Basisorgan­isationen, obwohl Gleichbere­chtigung auf „allen Ebenen des Lebens“im Artikel 48 des Grundgeset­zes als Verfassung­sgebot steht. In China gebe es viele gute Gesetze für Frauen, sagt Anwältin Guo. Aber es fehle an Ausführung­sbestimmun­gen und der Umsetzung. So bleiben sie „schlafende Schönheite­n“.

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FOTO: DPA In den vordersten Reihen der Politik fehlen Frauen bis heute. Insgesamt sind zehn Chinesinne­n Mitglied im 204-köpfigen Zentralkom­itee der KP.

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