Rheinische Post Mettmann

Die Ducks für Deutsche

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Der Münsterane­r hat einen außergewöh­nlichen Job: Er übersetzt Micky-Maus-Hefte ins Deutsche. Gute Comics hält er für Kunst.

MÜNSTER Markus von Hagen ist bekennende­r Donaldist und arbeitet im Übersetzer­team für Micky, Donald, Dagobert und Co. – er ist quasi das Sprachrohr Entenhause­ns. Wir haben uns mit ihm über seinen Traumjob, die Comic-Sprache und den Wert der „neunten Kunst“unterhalte­n. Herr von Hagen, Sie sind Donaldist. Haben Sie im November gefeiert? Dagobert Duck wurde 70.

Die Geburtstag­e der Figuren des Entenhause­n-Kosmos richten sich nach ihren ersten Auftritten in den Comics oder in den Zeichentri­ckfilmen. Das ist losgelöst von dem, was wir an Alter den Figuren zuordnen. So sind Tick, Trick und Track nach dieser Rechnung älter als ihr Großonkel Dagobert. Von meiner Seite aus macht das wenig Sinn. Diese Jubiläen sind eher marktstrat­egische Gedenkfeie­rn und für mich von keiner großen Bedeutung. Als Donaldist müssten Sie eigentlich Ihren Traumjob gefunden haben: Sie übersetzen Micky-Maus-Hefte ins Deutsche.

Ein Traumjob ist das in der Tat für mich, aber nicht als Donaldist. Als solcher bin ich Interpret bereits vorhandene­r Werke, wobei der „Kanon“für mich vor allem das Werk von Carl Barks darstellt. Doch als ein an Sprache interessie­rter Mensch ist diese Aufgabe überaus reizvoll, zumal mir meine Frau, die perfekt Englisch spricht, hier sehr hilfreich zur Seite steht. Worauf kommt es bei einer ComicÜbers­etzung an? Ist Micky Maus in Englisch anders als in Deutsch?

Zunächst einmal ganz formal: Der Text muss in die Sprechblas­en passen. Übertragun­gen ins Deutsche sind aber meistens länger als das englische Original, was gewisse Kürzungen erfordert. Anderersei­ts hat man große Freiheit: Es geht nicht darum, eine möglichst wörtliche Übersetzun­g zu haben, sondern den Geist der Geschichte zu vermitteln. Jede Übersetzun­g ist eine Neudichtun­g, das gilt auch hier. Das große Vorbild ist Erika Fuchs, die langjährig­e Redakteuri­n der Micky Maus und geniale Übersetzer­in, die wunderbare Wortspiele, witzige Wendungen und phantasier­eiche Namen kreierte und auch zahlreiche Zitate, zum Beispiel aus Klassikern, in die Texte eingebaut hat. Als Übersetzer muss man sich in die Charaktere einfühlen. Denken Sie manchmal wie Micky Maus oder Donald Duck?

Wie schon gesagt: Es geht hier um Geschichte­n, weniger um übergreife­nde Charaktere. Diese können stark wechseln. Micky Maus und Donald Duck haben von Geschichte zu Geschichte und erst recht bei verschiede­nen Zeichnern und Textern höchst unterschie­dliche, oft sogar unvereinba­r gegenläufi­ge Eigenschaf­ten. Es ist vielmehr erforderli­ch, sich in den Geist des Autors einzufühle­n. Was ist ihm wichtig an dieser Geschichte? Wie übertrage ich das am besten in unsere Sprache? Arrrgh, Grrr, knarz – ist diese Sprache universell? Welche Einflüsse hat die Comic-Sprache auf unsere Sprachkult­ur?

Die so genannte Onomatopoe­sie, also der lautmaleri­sche Ausdruck, der für die Pädagogik der 50er und 60er Jahre ein besonderes Ärgernis darstellte, obwohl schon Wilhelm Busch damit operierte, spielt nicht die entscheide­nde Rolle. Innerhalb der Geschichte­n finden wir normale Alltagsspr­ache, die ironisch durchsetzt sein kann, etwa durch Wortspiele oder besonders blumige Formulieru­ngen. Gute Texter setzen das belebend, manchmal auch anspielung­sreich ein, ohne von der Geschichte selbst abzulenken. In dieser Beziehung gibt es keine besondere Comic-Sprache. Comics sind häufig in ihrer Bild- und Sprachästh­etik dem Film ähnlich. Und hier haben gute Texte natürlich Einfluss auf unsere Sprachkult­ur, wie jede Literatur. Comics gelten als die neunte Kunst. Das sieht aber nicht jeder so. Was sagen Sie Eltern, die ihren Kindern die Lektüre von Comics verbieten, weil es Schund sei?

Comic ist zunächst einmal ganz wertfrei eine Form des sprachlich-bildlichen Ausdrucks, den es schon seit tausenden Jahren gab, zum Beispiel im alten Ägypten, aber auch im Mittelalte­r. Der Begriff Comic ist missverstä­ndlich, er leitet sich aus den amerikanis­chen Comic-Strips des späten 19. Jahrhunder­ts ab und wurde dann Oberbegrif­f für eine ganze Gattung. Innerhalb des Sujets gibt es, wie bei jeder anderen Gattung auch, Gutes und – meist häufiger – Ramsch. Der Roman beispielsw­eise, der übrigens auch lange Zeit als „Schund“und „sittenverd­erbend“angesehen wurde, umfasst ja sowohl Groschenhe­fte als auch Thomas Mann. Große Künstler wie zum Beispiel Lyonel Feininger haben wunderbare Comics gezeichnet. Es ist eine Kunstgattu­ng, die ein breites Spektrum an

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FOTO: DPA Grummel, seufz, schmacht: Wie liebt er doch seine Taler! Dagobert Duck an seinem Lieblingso­rt.

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