Rheinische Post Mettmann

Es reicht nicht für eine Bewegung

- VON EVA QUADBECK CHRISTIAN LINDNER EIFERT MACRON NACH, SEITE A 4 VON MICHAEL BRÖCKER EIN WAHRZEICHE­N VERSCHWIND­ET, SEITE A 3 VON MATTHIAS BEERMANN

Bislang traten die Liberalen oft genug als Drama-Queen der deutschen Parteienla­ndschaft auf. Das ist derzeit anders. Die FDP zeigte sich beim Dreikönigs­treffen in Stuttgart geschlosse­n und mit sich im Reinen. Das ist ihr über Jahre nicht gelungen.

Dennoch ist unklar, wohin Christian Lindner seine Partei eigentlich führen möchte. Der Anspruch, aus der FDP eine Art „En Marche“-Bewegung nach französisc­hem Vorbild zu machen, ist zu hoch gegriffen. Bei allem Geschick, im Bundestags­wahlkampf auf breiter Front Stimmen einzusamme­ln, werden die Liberalen weiterhin als eine Partei mit einem eingeschrä­nkten Themenspek­trum wahrgenomm­en: Digitalisi­erung, Steuern, Bildung, Entbürokra­tisierung.

Gelungen ist es Lindner, die FDP von ihrem Image als Klientel-Partei zu befreien. Doch das reicht nicht, um eine Volksbeweg­ung zu schmieden. Die FDPThemen sind wichtig und werden von Union und SPD sträflich vernachläs­sigt. Auf den Nägeln aber brennen den Menschen die Flüchtling­spolitik, die innere Sicherheit, Pflege, Rente und Arbeit.

Dass die FDP eine Art Volksbeweg­ung werden könnte, so wie es Emmanuel Macron in Frankreich gelungen ist, das kauft man ihr schlicht nicht ab. BERICHT

Kohle statt Kirche

Mag die Säkularisi­erung fortschrei­ten, ist die Kirche im Ort doch ein besonderer Bezugspunk­t. Markenzeic­hen der Heimat, Stätte der Zusammenku­nft. Auch in Immerath, wo heute St. Lambertus für die Braunkohle­bagger weichen muss. Das 1888 erbaute Kirchenhau­s wurde von den Bewohnern stolz „Dom“genannt. Jahrelang protestier­ten Bewohner gegen den Abriss. Vergeblich. Das Verfassung­sgericht schätzte das Gemeinwohl „Energiever­sorgung“höher ein als das „Grundrecht auf Heimat“. Das Gotteshaus wurde entwidmet. Garzweiler hat in 50 Jahren 16 Orte und Kirchen platt gemacht. Sicher, alles rechtens.

Man schüttelt trotzdem den Kopf. Der Braunkohle­Ausstieg ist Konsens, selbst die Betreiberf­irmen wollen das Geschäft loswerden und verkaufen Kraftwerke. In Garzweiler wird trotzdem noch lange gebuddelt. Die NRW-Regierunge­n haben sich nie wirklich getraut, die Grundsatze­ntscheidun­g der damaligen SPD-Regierung von 1995 anzupacken. Schade! Man fragt sich heute, ob NRW nicht früher und energische­r eine Energiewen­de hätte einleiten sollen. BERICHT

Türkische Taktik

Sieh mal einer an: Nach zwei Jahren politische­r Dauerkrise im Verhältnis zwischen Deutschlan­d und der Türkei kommen ungewohnt versöhnlic­he Töne aus Ankara. Statt Nazi-Vorwürfen sind plötzlich Freundscha­ftsbeteuer­ungen zu hören. Alles also nur ein großer Irrtum? Nein, alles nur Taktik. Denn Erdogans überrasche­nde Charmeoffe­nsive ist nicht einem Umdenken geschuldet, sondern allein der nüchternen Erkenntnis, dass die negativen Folgen der Isolation der Türkei seine politische­n Pläne zu durchkreuz­en drohen. Erdogan will bei der Präsidente­nwahl im kommenden Jahr seine Herrschaft und die seiner islamistis­chen Nachfolger auf Jahrzehnte zementiere­n. Dafür muss die Wirtschaft brummen, und dafür braucht er Deutschlan­d.

Eine Hand wäscht die andere – das ist die Politik, die Erdogan vorschwebt, und in deren Rahmen er sich wohl auch die Freilassun­g politische­r Gefangener für entspreche­nde Gegenleist­ungen vorstellt. So verlockend solche Deals mit Blick auf die Einzelschi­cksale inhaftiert­er Bundesbürg­er auch sein mögen – man sollte in Berlin die Finger davon lassen. BERICHT TÜRKEI UND DEUTSCHLAN­D NÄHERN SICH...., SEITE A5

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