Kohleausstieg wichtiger als Zwischenziele
Die Empörung ist groß. Wieder bricht die Kanzlerin ein Versprechen: Sie wollte keine Pkw-Maut einführen und nahm sie doch hin. Sie wollte den KohlendioxidAusstoß bis 2020 kräftig senken und lässt nun zu, dass ihr Unterhändler Laschet das Ziel abräumt. Prinzipientreue ist Merkels Sache nicht. Von der ehrgeizigen Klimakanzlerin bleibt nicht viel übrig. Wenngleich sie kein Trump ist: Deutschland rückt nicht vom Pariser Klimaabkommen ab, sondern nur von einem selbstgesteckten Zwischenziel. Wichtiger als dessen Erreichung ist ohnehin, dass die neue Regierung ein Datum für den langfristigen Kohleausstieg festzurrt und Regionen wie Unternehmen Zeit gibt, sich vorzubereiten. Damit kann Deutschland als grüne Industriemacht vorangehen, ohne seine Wirtschaft zu überfordern. Böses ahnen lässt dagegen ein anderer Deal: Laut Kompromiss soll der Bund den Strukturwandel abfedern. Nach 50 Jahren Steinkohle-Förderung soll der Steuerzahler nun auch für den Braunkohle-Ausstieg zahlen. Nach diesem Muster dürften weitere Konflikte entschärft werden. Die Parteispitzen wollen die Groko, die Staatskassen sind voll. Wirtschaftliche Vernunft droht (siehe Mütterrente) auf der Strecke zu bleiben. BERICHT GROKO RINGT UM SPITZENSTEUERSATZ, TITELSEITE
Seit 2014 steigt die Zahl der Minderjährigen, die mit einer akuten Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen, wieder an. Auch diese Entwicklung belegt, dass der riskante Alkohol- und Drogenkonsum sich in Deutschland weitgehend unabhängig von der Frage entwickelt, ob und für welche Altersgruppe eine Droge gerade verboten ist oder nicht.
Beispiel Zigaretten: Im Vergleich zur Jahrtausendwende rauchen heute rund zwei Drittel weniger Zwölf- bis 17-Jährige. Beispiel harte Drogen: Bundesweit ist die Zahl der Drogentoten in den vergangenen fünf Jahren wieder angestiegen. Allein 2016 (neuere Zahlen liegen noch nicht vor) gab es bundesweit einen Anstieg um neun Prozent. Beispiel Cannabis: Nach Jahren des Rückgangs kiffen Jugendliche heute wieder genauso viel wie im Jahr 2004.
An den gesetzlichen Konsum- und Verkaufsvorgaben hat sich in keinem der genannten Beispiele etwas geändert. Verbote beeinflussen den Konsum also offenbar kaum. Die einzige echte Chance der Prävention heißt Aufklärung. BERICHT
ISaufen und kiffen
Das Land der Entertainer
n Deutschland wäre es undenkbar, dass Til Schweiger oder Thomas Gottschalk Kanzler würden. In den USA ticken die Uhren anders. Dort schaffte es Ronald Reagan als gelernter Schauspieler ins Weiße Haus. Der Unternehmer Donald Trump nutzte ebenfalls seine Bekanntheit als TV-Star, um sich gegen das Establishment durchzusetzen. Jetzt hebt die politische Linke der USA (die in Deutschland der Merkel-CDU entspricht) die schwarze Moderatorin Oprah Winfrey auf den Schild.
Das folgt einer gewissen Logik. Die USA sind das Land Hollywoods, die Medien spielen eine zentrale Rolle, die Profession des Berufspolitikers steht dagegen unter Verdacht. Das macht Politik sprunghaft, obwohl sich Reagan als zielstrebiger und erfolgreicher Politiker erwiesen hat. Ob Winfrey eine gute Präsidentin abgeben würde, ist offen. Aber Zweifel sind angebracht. Denn Eloquenz allein macht noch keinen herausragenden Politiker aus. Am Ende gilt das Diktum des Soziologen Max Weber: „Die Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich.“BERICHT