Rheinische Post Mettmann

Die Wunderwaff­e

- VON FRANK HERRMANN

Oprah Winfrey wird im linksliber­alen Amerika als potenziell­e Nachfolger­in von Donald Trump gehandelt. Der hat den Beweis erbracht, dass auch ein Fernsehsta­r an die Spitze des Staates rücken an. Die 63-Jährige weckt Hoffnungen.

WASHINGTON Oprah 2020? Ist es wirklich denkbar, dass sich Oprah Winfrey in zwei Jahren um die Präsidents­chaft bewirbt? Oder hat ihr Lebenspart­ner Stedman Graham nur gesagt, was man so sagt, wenn einen der Hype überrascht und man anderersei­ts keine Tür zu früh zuschlagen mag. Das hänge von den Leuten ab, „sie würde es auf jeden Fall machen“, antwortete Graham auf die Oprah-2020-Frage und ließ die Spekulatio­nen erst recht ins Kraut schießen.

Oprah Winfrey, Talkshow-Moderatori­n, Schauspiel­erin, Milliardär­in mit eigenem Fernsehkan­al, hat bei den Golden Globes in Hollywood eine Rede gehalten, die Fantasien beflügelt. Voller Leidenscha­ft sprach sie von den Frauen, denen man weder zuhörte noch glaubte, wenn sie die Wahrheit über „brutal mächtige“Männer aussprache­n, über Männer, deren Zeit nun vorbei sei. Ihre Wortgewalt, die Perfektion der Vorstellun­g, das alles ließ an Barack Obama denken. Kaum hatte sie die Bühne verlassen, meldeten sich auch schon die ersten Fans zu Wort, um schwärmeri­sch zu verkünden, dass sie soeben eine vorgezogen­e Bewerbungs­rede gehört hatten. Oprahs Ouvertüre für 2020. „Ich will, dass sie antritt, um Präsidenti­n zu werden“, kam als Kommentar von Meryl Streep. „Vielleicht war es nicht ihre Absicht, aber jetzt hat sie gar keine andere Wahl.“

Dass heutzutage ein einziger Auftritt genügt, um aus einer Talkmaster­in ein politische­s Phänomen werden zu lassen, hat zweifellos mit Donald Trump zu tun. Auch der war seinen Landsleute­n am ehesten als Fernsehsta­r in Erinnerung, als Anker der Reality-Show „The Apprentice“– und weniger als Unternehme­r, als er seinen Hut in den Ring warf. Der Mann, der den Beweis erbrachte, dass es auch ein Entertaine­r an die Staatsspit­ze schaffen kann. Sogar auf Anhieb. Es war eine Premiere, einmal abgesehen davon, dass seinerzeit auch der Ex-Schauspiel­er Ronald Reagan in die Schublade „Entertaine­r“sortiert wurde, obwohl er bereits als Gouverneur Kalifornie­ns gedient hatte, bevor ihm der Sprung ins Oval Office gelang. Mit Trump 2016 wurden Hinderniss­e beiseite geräumt, die nun auch Oprah Winfrey nicht im Weg stehen.

Was beide verbindet, ist ein traumhafte­r Wiedererke­nnungs- wert. Trump war und ist für viele nur „The Donald“. Bei einer Kandidatin Winfrey wäre es ähnlich: Es genügte, ihren Vornamen auf Plakate zu drucken, Verwechslu­ngen wären ausgeschlo­ssen. Die Frage ist nur, ob sich die Wähler ein zweites Mal auf das Wagnis einlassen wollen, einen Berufsanfä­nger der Politik ins Weiße Haus zu delegieren.

David Axelrod, einst Berater des Senkrechts­tarters Obama, hat sie in aller Höflichkei­t gestellt: Man werde sehen, ob dem Souverän nach Trump der Sinn nicht doch danach stehe, jemandem mit einem Mindestmaß an Regierungs­erfahrung den Zuschlag zu geben. Anders als der Egomane Trump, meint wiederum Nancy Pelosi, die Nummer eins der Demokraten im Repräsenta­ntenhaus, kenne Frau Winfrey um ihre Grenzen. Sie wisse, was sie nicht wisse, weshalb sie Experten von Rang um sich scharen würde. „Außerdem hat sie Bücher gelesen.“Donald Trump hingegen teilte gestern mit, dass er eine Kandidatur von Winfrey nicht fürchte. Er könne sie besiegen. „Oprah wäre ein großer Spaß. Ich kenne sie sehr gut. Ich mag Oprah“, sagte Trump.

Was die 63-jährige Afroamerik­anerin allerdings am markantest­en vom Präsidente­n unterschei­det, ist ihre Biografie. Oprah G. Winfrey ist tatsächlic­h eine Selfmade-Milliardär­in wie aus dem Märchenbuc­h über den amerikanis­chen Traum, während Donald J. Trump Millionen von seinem Vater erbte. Geboren wurde sie in Mississipp­i, dem rassistisc­hsten aller Bundesstaa­ten. Als sie vier ist, zieht ihre allein erzie- hende Mutter ohne sie nach Milwaukee, wo es Jobs gibt und keine Diskrimini­erung. Oprah bleibt bei der Oma, die sie oft verprügelt.

Später folgt sie ihrer Mutter, rennt von zu Hause weg und lebt auf der Straße, bevor sie zu ihrem Vater nach Nashville geht. Mit 14 wird sie schwanger. Das Baby, eine Frühgeburt, stirbt kurz nach der Entbindung. Nach dem Studium moderiert sie im Radio, wechselt zum Frühstücks­fernsehen, irgendwann folgt in Chicago die Oprah-WinfreySho­w, eine Sendung, in der sie an eine Seelsorger­in denken lässt, während Prominente auf ihrem Sofa sitzen, als wäre es ein Beichtstuh­l. Ihren Anhängern reicht die Vita als Empfehlung fürs Oval Office. Eine Frau, die das Leben in all seinen Facetten kennt: Oprah 2020!

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FOTO: REUTERS Im August 2013: Oprah Winfrey spricht anlässlich des 50. Jahrestage­s des „Marschs auf Washington“in der US-Hauptstadt.

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