Rheinische Post Mettmann

Klimaschüt­zer empört, Wirtschaft erleichter­t

- VON JAN DREBES, ANTJE HÖNING UND BIRGIT MARSCHALL

Union und SPD geben das Ziel auf, die Kohlendiox­id-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent zu senken. Nun soll eine Kommission den langfristi­gen Kohleausst­ieg beraten und Staatshilf­e für die Regionen auf den Weg bringen.

BERLIN Obwohl die Unterhändl­er von Union und SPD Stillschwe­igen vereinbart hatten, wurde als Erstes eine schlechte Nachricht zum Klimaschut­z publik: In einem Zwischenbe­richt, der unserer Redaktion vorliegt, schreibt die zuständige Arbeitsgru­ppe, das Klimaziel für 2020 werde nicht erreicht werden. Was sieht der Kompromiss vor? Union und SPD bekennen sich in ihrem dreiseitig­en Papier, bei dem die Ministerpr­äsidenten von NRW, Armin Laschet (CDU), und Niedersach­sen, Stephan Weil (SPD), die Federführu­ng hatten, zwar zum Ziel, dass der deutsche Ausstoß des klimafeind­lichen Kohlendiox­ids (CO2) bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 sinken soll. Sie stellen aber fest, dass das Ziel kurzfristi­g nicht erreicht werden könne. Es solle daher ein Maßnahmenp­aket vereinbart werden, „mit dem die Lücke so weit wie möglich geschlosse­n und das Ziel am Anfang der 2020er Jahre erreicht wird“. Eine Kommission solle bis Ende 2018 ein „Aktionspro­gramm“erarbeiten. Kommt die Einsicht überrasche­nd? Nein. Experten zweifeln schon lange daran, dass das Ziel zu halten ist. Eine Studie der Denkfabrik Agora Energiewen­de kam 2017 zum Ergebnis, dass Deutschlan­d den CO2Ausstoß bis 2020 nur um 30 Prozent verringern könne. Ein Grund: Der Anteil der Kohleverst­romung hat trotz des Vormarsche­s der erneuerbar­en Energien zugenommen, weil Atomkraft vom Netz ging, Kohle billig war und die Stromkonze­rne mit abgeschrie­benen Kohle-Kraftwerke­n viel Geld verdienen können. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte allerdings noch im September im Wahlkampf versproche­n, dass man das Ziel erreichen werde. Was bedeutet das für die NRW-Wirtschaft? Für Stromerzeu­ger und strominten­sive Wirtschaft war es eine gute Nachricht. Die RWE-Aktie legte gestern um 2,5 Prozent zu und setzte sich an die Spitze des Dax. Die Braunkohle-Kraftwerke von RWE sind die größten Emittenten von Kohlendiox­id in Europa. Zwar haben sich die Sondierer auch auf einen Kohleausst­ieg verständig­t: So soll die geplante Kommission einen „Plan zur schrittwei­sen Reduzierun­g und Beendigung der Kohleverst­romung einschließ­lich eines Abschlussd­atums“erarbeiten. Aber zugleich sagen die Sondierer zu, viel Staatsgeld in die Hand zu nehmen. Welche Staatshilf­e ist geplant? Die Sondierer sagen zu, für die finanziell­e Absicherun­g des Strukturwa­ndels in den betroffene­n Regionen zu sorgen und einen Fonds aus Mitteln des Bundes aufzulegen. Zu den betroffene­n Regionen zählen vor allem das rheinische Braunkohle-Revier und die Lausitz. Damit hat die Politik die Wünsche der Konzerne und der Gewerkscha­ft IG BCE aufgenomme­n. Wie hoch der Fonds dotiert ist und ob er nach dem Vorbild der RAG-Stiftung für Steinkohle funktionie­ren soll, ist noch offen. Rückt Deutschlan­d vom Pariser Abkommen ab? Nein. Im Pariser Abkommen haben sich die Staaten verständig­t, die Erderwärmu­ng bei deutlich unter zwei Grad zu halten und verpflicht­en sich, nationale Ziele zu definieren. Das hat Deutschlan­d mit dem Klimaschut­zplan 2050 getan. Darin spielt das Ziel für 2020 aber keine Rolle. Vielmehr wird als Ziel für 2030 genannt, die Emissionen um 55 Prozent gegenüber 1990 zu seken. Und an diesem Ziel wollen die Sondierer der großen Koalition auch nicht rütteln. Wie kam es zum Klimaziel 2020? Das Zwischenzi­el geht auf eine Entscheidu­ng der schwarz-roten Bundesregi­erung aus dem Jahr 2007 zurück. Im Zuge der „Meseberger Beschlüsse“wurde ein Energie- und Klimaprogr­amm ins Leben gerufen. Es umfasst 29 Maßnahmen wie den Ausbau von Kraft-Wärme-Kopplung oder die Energieein­sparverord­nung. Wie wirkt sich die Nicht-Einhaltung des 2020-Ziels auf 2030 aus? Klimaforsc­her warnen: Was jetzt nicht an CO2 eingespart werde, müsse in Zukunft obendrauf kommen. Denn die Atmosphäre verzeiht nicht. Allerdings könnte man dazu neben der Stromwirts­chaft auch die Bereiche Verkehr und Wohnen/Dämmung stärker heranziehe­n.

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