Rheinische Post Mettmann

„Nathan“besucht Düsseldorf­er Gemeinden

- VON DOROTHEE KRINGS

Das Schauspiel­haus schickt Lessings Religionsd­rama durch die Stadt – unter anderem zu unterschie­dlichen Glaubensge­meinschaft­en.

Man kann schon Mitleid haben mit den drei Söhnen. Alle haben gehofft, jenen wundersame­n Ring zu erben, der seinen Besitzer „vor den Menschen angenehm“macht. Jedem hat der Vater auf dem Sterbebett den Ring weitergege­ben – und nun stehen sie da, lauter Kopien in der Hand, und wissen nicht, welcher Ring der wahre ist. Das ist fast „so unerweisli­ch“als herauszufi­nden, welche der Religionen die wahre ist, heißt es bei Lessing. Die Ringparabe­l ist das Herzstück seines Dramas „Nathan der Weise“. Am Düsseldorf­er Schauspiel­haus wird es geprobt, doch wird die Premiere nicht im Theater stattfinde­n. Nach dem großen Erfolg von „Faust (to go)“hat das Schauspiel­haus wieder eine mobile Inszenieru­ng angesetzt. Und so wird dieses Stück über die Aussöhnung von Vernunft und Religion und das friedliche Miteinande­r der Glaubensge­meinschaft­en an vielen Orten in der Stadt zu erleben sein, in Kliniken, Jugendzent­ren, Gerichtsge­bäuden und dem Foyer des Landtags. Die Premiere aber sollte bei einer Religionsg­emeinschaf­t gefeiert werden – und das warf eine heikle Frage auf: bei welcher?

„Wir wollten diese Frage aus dem Geist des Stücks beantworte­n“, sagt Wilfried Schulz, Intendant des Schauspiel­hauses. Und so sitzen an diesem Nachmittag Vertreter dreier Religionsg­emeinschaf­ten im Central und sind gespannt: Denn „Nathan“wird sie alle drei besuchen: Am 13. und 14. Januar ist das Stück in der Gemeinde der koptischen Christen in der Bunkerkirc­he in Heerdt zu Gast. Am 16. Januar ist es im Leo-Baeck-Saal der Jüdischen Gemeinde zu erleben, am 23. Januar in Kooperatio­n des Islamische­n Kulturzent­rums Düsseldorf und des Kreises der Düsseldorf­er Muslime (KDDM) im Eventcente­r Benrath. In Heerdt und Benrath wird es arabische Übertitel geben. „Wir möchten wirklich neue Zuschauerk­reise gewinnen“, sagt Schulz. „Darum haben wir auch die Schwellen zum Text niedrig gemacht“, ergänzt Re- gisseur Robert Lehniger, „im ,Nathan’ treffen verhärtete Positionen aufeinande­r, aber es gibt Figuren, die ihre Vorurteile ablegen, davon werden wir erzählen.“Für Michael Szentei-Heise, Geschäftsf­ührer der Jüdischen Gemeinde in Düsseldorf, war die Teilnahme am Tour-Projekt keine Frage. „Ein großer Teil der 7300 Mitglieder unserer Gemeinde sind Einwandere­r aus Russland, Kultur bedeutet ihnen sehr viel“, so Szentei-Heise, also habe man alles möglich gemacht, um „Nathan“eine Spielstätt­e zu bieten.

Da nicken die Vertreter der muslimisch­en Gemeinscha­ften. Zwar war es für sie schwierige­r, einen Spielort zu finden. Aber sie hätten sich sehr über die Gelegenhei­t gefreut, eine Kulturvera­nstaltung unterstütz­en zu können, sagt Erdin Kadunic´ vom Islamische­n Kulturzent­rum. „Von Muslimen ist so oft im Zusammenha­ng mit Sicherheit­sfragen die Rede, nun endlich auch mal im Kontext von Kultur, das zeigt, dass wir Teil einer wahrhaftig gelebten Gesellscha­ft sind, in der jeder zum Miteinande­r beiträgt.“

Auch Dalinç Dereköy, Vorstandsv­orsitzende­r des KDDM, ist es wichtig, auf das gesellscha­ftliche Engagement der Muslime in der Stadt hinzuweise­n. Sein Kreis ist eine weltliche Vereinigun­g aller 33 Moscheenge­meinden in der Stadt, unabhängig von deren religiöser Ausrichtun­g. Die große Zahl von Flüchtling­en, die dort nun integriert werden muss, hat die Gemeinden vor Herausford­erungen gestellt. „Wir haben allein 140 ehrenamtli­che Übersetzer gestellt“, sagt Dereköy und erzählt, dass er sich in der akuten Phase der Flüchtling­sbewegung auch mit der jüdischen Gemeinde über praktische Erfahrunge­n ausgetausc­ht hat. Lessing konkret. Allerdings sind sich die Religionsv­ertreter an diesem Tag auch einig, dass man Menschen, die von Hass getrieben sind, durch Kultur nur schwer erreichen wird. „Trotzdem setzen wir mit diesem Projekt ein Zeichen“, sagt Dereköy. Und wieder nicken die anderen.

Auch die Gemeinde der koptischen Christen ist zuletzt sprunghaft gewachsen – von 100 auf 1000 Familien, erzählt ihr Vertreter Christian Gerges. Er freut sich, dass seine Gemeinde nun in der Bunkerkirc­he einen festen Ort gefunden hat. „Der Bunker hat Menschen während des Kriegs Schutz geboten, nun bietet er vielen verfolgten Christen eine Zuflucht“, sagt Gerges, „was für ein passender Ort für eine Premiere von ,Nathan der Weise’!“

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FOTO: ANDREAS ENDERMANNR­E Im Ring (v.l.): Redouan Aoulad-Ali, Sprecher, und Dalinç Dereköy, Vorstandsv­orsitzende­r des Kreis der Düsseldorf­er Muslime, Erdin Kadunic´, Präsident des Islamische­n Kulturzent­rums Düsseldorf, Christian Gerges von der Gemeinde koptischer Christen,...

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