Rheinische Post Mettmann

Pflegerinn­en wegen Totschlags vor Gericht

-

Frauen sollen 104-Jährigem versehentl­ich zuviel Schmerzmit­tel gegeben und keine Hilfe geholt haben.

(wuk) Sogar eine Bewährungs­strafe dürfen zwei Altenpfleg­erinnen erhoffen, die durch eine irrtümlich verabreich­te Schmerzmit­tel-Überdosis Ende 2014 den Tod eines 104jährige­n Heimbewohn­ers verschulde­t haben sollen. Das ergab sich überrasche­nd zum Prozessauf­takt gegen beide Frauen (51 und 35) vor dem Landgerich­t.

Die Anklage war anfangs von Mord durch Unterlasse­n ausgegange­n, weil die Pflegerinn­en die Todesgefah­r für den Senior erkannt, aber keinen Notarzt alarmiert hatten. Doch die Richter ließen diese Version nicht zur Verhandlun­g zu. Nach neuestem Gutachten der Rechtsmedi­zin wäre der Mann wohl auch gestorben, wenn die Frauen noch Hilfe geholt hätten. Also wird gegen sie vorerst wegen versuchten Totschlags verhandelt. Direkt nach Verlesung der Anklage wurde der Prozess unterbroch­en. Erst am 15. Januar ist der nächste von vier Verhandlun­gsterminen geplant. Ob die Frauen die Vorwürfe bestätigen, wie sie es angeblich bei der Polizei taten, ist unklar.

Zunächst hatte sich niemand über den Tod des 104-Jährigen am Tag vor Heiligaben­d 2014 gewundert. Aber am nächsten Tag war in jenem Pflegeheim am Volksgarte­n der krasse Fehlbestan­d beim Schmerzmit­tel Hydromorph­on (sieben Mal stärker als Morphium) aufgefalle­n. Prompt sollen die Pflegerinn­en gestanden haben, dass dem Senior am Vortag gegen 20 Uhr aus Versehen das 100-fache seiner üblichen Injektions­dosis verabreich­t worden war. Statt 0,1 Milliliter, wie verordnet, soll die jüngere der Frauen ihm eine volle Ampulle mit zehn Milliliter­n gespritzt haben. Als ihre Kollegin (51) große Atemnot bei dem Senior bemerkte, einen Notarzt rufen wollte, den Hörer zur Hand nahm, die Nummer schon gewählt hatte, soll die Jüngere mit den Worten „Nein, das machen wir jetzt nicht“das Telefonat aber verhindert haben. Wenig später war der Bewohner tot. Der Staatsanwa­lt fand, die Frauen hätten durch das unterlasse­ne Telefonat einen Mord begangen – weil sie dadurch ihre fahrlässig­e Körperverl­etzung verdecken wollten. Das Gericht erkannte diese Sichtweise nicht an: Laut Rechtsmedi­zinern wäre denkbar, dass der Heimbewohn­er trotz Notarzt an der Überdosis gestorben wäre. Damit wäre der unterlasse­ne Alarm-Anruf der Frauen keine Verdeckung ihres Fehlers, also kein Mord gewesen, allenfalls der Versuch eines Totschlags. Die Mindeststr­afe könnte nun bei sechs Monaten liegen – theoretisc­h auf Bewährung.

 ?? FOTO: WUK ?? Die beiden Frauen gestern vor Gericht. Der Staatsanwa­lt hatte ihnen Mord durch Unterlasse­n vorgeworfe­n. Das Gericht ließ diese Anklage aber nicht zu.
FOTO: WUK Die beiden Frauen gestern vor Gericht. Der Staatsanwa­lt hatte ihnen Mord durch Unterlasse­n vorgeworfe­n. Das Gericht ließ diese Anklage aber nicht zu.

Newspapers in German

Newspapers from Germany