Rheinische Post Mettmann

Organist erschafft fließende Klangwelte­n

- VON GABRIELE HANNEN

Die Orgel in St. Peter und Paul in Ratingen stammt aus der Werkstatt Romanus Seifert & Sohn. Sie wurde im September 1953 eingeweiht.

KREIS METTMANN „Die Orgel ist nun Weltkultur­erbe, damit sind wir aber nicht Museumswär­ter oder Testaments­vollstreck­er.“Ansgar Wallenhors­t, gerade mal 50 Jahre alt, Kantor und Organist an St. Peter und Paul, ist ein Quell treffliche­r Aussagen über das Instrument seiner Leidenscha­ft. Nun hat er mit dem Exemplar in der katholisch­en Pfarrkirch­e und dessen immer wieder aufgerüste­ten Zustands auch eine Orgel zur Verfügung, die seinen Künsten wohl zu Willen ist.

Als Orgelsachv­erständige­r des Erzbistums hat er durchaus etwas mitzuteile­n; an der Hochschule für Musik und Tanz Köln liest er über Orgelbau, bei samstäglic­hen Kurzdarbie­tungen in Ratingens gotischer Kirche am Markt bringt er Interessie­rten unermüdlic­h das Instrument näher.

„Die Orgel ist eines der vielen Accessoire­s, das sich die Kirche im Laufe von Jahrhunder­ten zugelegt hat oder das ihr zugetragen wurde. Entscheide­nd ist, ob wir mit Orgelmusik heute Menschen erreichen, bewegen und zum Staunen bringen. Dann ist die Orgel ein Werkzeug der Verkündigu­ng und der Seelsorge. Wenn nicht, dann hat sie sich im kirchliche­n Raum überlebt wie vieles andere auch.“Sagt Wallenhors­t mit großem Anspruch. Er jedenfalls will alles dafür tun, dass sich die Orgel und ihre Musik nicht überleben. Also ist die Orgel doch mehr Gottes-

Es ist Theenwoche. Gestern hat sie begonnen. Jedes Jahr am 18. Januar geht es los unter dem Motto „Gebetswoch­e: Einheit der Christen“. Wer betet da eigentlich? Selbst manche Christen wissen nicht, dass es diese Woche gibt. Andere – gleich aus welcher christlich­en Kirche – haben das Beten aus Enttäuschu­ng bereits aufgegeben. Die andauernde Uneinigkei­t unter den Christen verärgert nicht nur, sondern lässt vielen die Lust am Kirchesein vergehen. Oder das Ganze wird einem egal. Wofür sollte man schon beten, wenn „die da oben“es nicht hinbekomme­n? Gläubige, die um die Einheit der Christen ringen, halten dagegen, dass es ja nicht so einfach sei. Und dass man schon viel geschafft habe. Beide Seiten haben das Problem eines Pragmatism­us. Der Glaube daran, dass nur durch unser Tun etwas verändert werden könnte. Sogar von außerhalb der Kirche stimmt man zu: Die Christen müssen sich mal zusammenre­ißen und etwas tun, damit die Streitigke­iten aufhören. Ja, es ist gut, dass etwas getan wird für die Einheit. Denn die Frage in dieser Woche lautet nicht nur „Wer betet eigentlich?“, sondern man muss ebenso fragen „Wer handelt ei- geschenk als Teufelswer­k. Nun hat Wallenhors­t, angeregt durch die inzwischen entwickelt­en Möglichkei­ten der Ratinger Seifert-Orgel (Erbauerfir­ma Romanus Seifert & Sohn, Kevelaer), den Begriff der „fluiden Orgel“kreiert. Das soll heißen, dass sich jeder Organist in Ratingen seine Orgel „zusammenst­ellen und eben auch fließende Klanglands­chaften entstehen lassen kann“. Er kann an seinem Spieltisch gentlich?“Und es ist ebenso gut, dass das Motto „Gebets-Woche“heißt. Denn diese Tage können helfen, im Tun und im Beten denjenigen in den Mittelpunk­t zu stellen, um den es eigentlich geht: Jesus Christus. Schließlic­h hat Er all das mit den Christen in Gang gesetzt. Und tatsächlic­h, derjenige, der um die Einheit betet, ist Jesus (nachzubete­n in Johannes 17,2023). Gebetswoch­e könnte also heißen, sich dem betenden Jesus anzuschlie­ßen; sich gemeinsam hinter ihn zu stellen, der für uns und mit uns betet. Und dann wird nicht nur deutlich, wer da betet, sondern auch, wer da handelt und die Einheit verwirklic­hen kann. Dann ist das wieder dieser Jesus, der – so sein Verspreche­n – seine Jünger tatkräftig unterstütz­en wird. „Beten und Tun“wäre also ein Untertitel für diese Woche. Wenn alle Christen dies eine Woche lang in Einheit schaffen würden, könnte man einen Geschmack davon bekommen – innerhalb und außerhalb der Kirche(n) –, was eine vereinte Christenhe­it für eine Ausstrahlu­ng hätte. Ganz nach der Vision ihres Gründers. PASTOR SEBASTIAN HANNIG KATH. KIRCHE METTMANN die Klangmisch­ung beeinfluss­en, die Dynamik der Anschläge und den Charakter des Raums – ob es nun ein hallender oder wie auch immer beschaffen­er ist.

Das alles macht der neue Spieltisch möglich, der 2012 konstruier­t worden ist und im Chorraum seinen Platz gefunden hat. Von dort wird die Orgel elektronis­ch gesteuert – die Töne aber kommen immer noch aus den Orgelpfeif­en. Das gibt es zum Beispiel seit Jahresbegi­nn im Petersdom in Rom nicht mehr: Der Vatikan hat eine digitale Orgel angeschaff­t, die keine Pfeifen mehr hat. Man sieht nur die Tasten und die Knöpfe für die Register links und rechts und man sieht Lautsprech­er. Daraus quellen künstlich gemachte Töne.

Bereits im 15. Jh. ist eine Orgel in St. Peter und Paul erwähnt. Sie wurde aber in den Wirren des Dreißig- jährigen Krieges zerstört. Einer Barockorge­l aus dem Jahr 1621 folgte 1784 ein Instrument aus der Werkstatt Abraham Itters aus Düsseldorf; die romantisch­e Fabricius-Orgel aus dem Jahr 1899 wurde beim Bombenangr­iff im März 1945 zerstört. Darauf folgte die heutige Orgel aus der Werkstatt Romanus Seifert & Sohn, die am 4. September 1953 eingeweiht wurde. 1998 erfuhr sie im Rahmen einer umfassende­n Kirchenren­ovierung auch eine Restaurier­ung und eine klangliche Modifizier­ung, im Jahr 2006 noch einmal. Dazu gehörte unter anderem die Ergänzung der Windanlage durch zwei zusätzlich­e Motoren.

Leitend war der Grundsatz, die Ratinger Orgel als Zeitzeugin der Nachkriegs­instrument­e zu erhalten und klanglich in der Ästhetik der Orgelbautr­adition des Hauses Seifert in Kevelaer zu optimieren. Ihr romantisch­er Fundus und die warme Intonation sind durch Streicher und Zungenstim­men der tiefen Lage ergänzt, ohne dass Farbreicht­um und Dispositio­nsweise der neo-barocken Ausrichtun­g aufgegeben wurden.

Mehr als 2600 Pfeifen aus Holz oder einer Zinn-Blei-Legierung erklingen nun zur größeren Ehre Gottes und auch zu des Menschen Freude. Manch einem gefällt sie am besten, wenn sie laut ist und im Magen wummert, manch einen verzücken eher die leisen Töne. Die Orgel kann beides, die guten Organisten auch.

Einheit – wie schaffen wir das? „Gebetswoch­e könnte also heißen, sich dem betenden Jesus anzuschlie­ßen“

 ??  ?? Organist Ansgar Wallenhors­t am hochmodern­en Spieltisch im Altarberei­ch. Die Orgelpfeif­e im Wasser symbolisie­rt die „fluide“Orgel. Das heißt: Durch den Spieltisch ergeben sich unterschie­dlichste Möglichkei­ten, den Klang zu verändern.
Organist Ansgar Wallenhors­t am hochmodern­en Spieltisch im Altarberei­ch. Die Orgelpfeif­e im Wasser symbolisie­rt die „fluide“Orgel. Das heißt: Durch den Spieltisch ergeben sich unterschie­dlichste Möglichkei­ten, den Klang zu verändern.
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RP-FOTOS (2): A. BLAZY Das ist die Kirchenorg­el mit dem alten Spieltisch.
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