Rheinische Post Mettmann

ANALYSE Noch

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in diesem Jahr könnten Deutschlan­d und Frankreich den 1963 unterzeich­neten Freundscha­ftsvertrag erneuern. Darin liegt eine Chance für einen neuen Aufbruch in der EU, aber auch das Risiko einer endgültige­n Spaltung.

durchgeset­zte strikte Sparpoliti­k am Ende als richtig erwiesen hat, so hat die Krise in vielen Ländern der EU doch zu sozialen und politische­n Verwerfung­en geführt, die den Kollaps des gesamten Integratio­nsprojekts plötzlich als denkbar erscheinen ließen. Was für Deutschlan­d und insbesonde­re die deutsche Wirtschaft ein Desaster wäre.

Das große Ganze ist in Gefahr, also wird man Macron in Berlin entgegenko­mmen, um die EU über eine entschloss­ene deutsch-französisc­he Führung wieder in den Griff zu bekommen. Die EU soll den Menschen wieder mehr Sicherheit bieten, mehr Schutz. Den Populisten soll der Wind aus den Segeln genommen werden. Der Ansatz ist richtig, aber er birgt auch Risiken. Denn was da gerade im Dreieck zwischen Paris, Brüssel und Berlin ausgetüfte­lt und irgendwann über die EU-Institutio­nen umgesetzt wird, muss nicht zwangsläuf­ig überall Begeisteru­ng auslösen.

Gerade in Osteuropa gibt es viel Unmut über die angebliche Bevormundu­ng durch eine westliche EU-Troika. Der Vorwurf ist ziemlich ungerecht, aber man muss ihn ernst nehmen. Die zugegeben anstrengen­de Rücksichtn­ahme auf die Befindlich­keiten kleinerer EU-Staaten ist eine zuletzt eher wenig gepflegte Tugend. Es geht dabei wohlgemerk­t nicht darum, klare Verstöße gegen europäisch­e Regeln und Werte zu dulden. Aber sehr wohl darum, die Interessen der Kleinen zu respektier­en. Helmut Kohl war bekannt dafür, sich als deren Anwalt zu positionie­ren, und er ist gut damit gefahren.

Gut möglich, dass solche Überzeugun­gs- und Vermittlun­gsarbeit bald noch wichtiger wird, sollten Deutschlan­d und Frankreich als Avantgarde vorpresche­n und damit eine EU der unterschie­dlichen Geschwindi­gkeiten verkörpern, die faktisch immer mehr in ein Kern-Europa und eine Peripherie zerfällt. Dorthin, so die Befürchtun­g schwächere­r Länder, würde sich jedes EU-Mitglied selbst verbannen, das beim deutsch-französisc­hen Reformdran­g nicht mitmachen will. Der neue Europa-Pakt zwischen Berlin und Paris, er kann die EU retten. Oder zerstören.

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