Rheinische Post Mettmann

Die Strategie der nationalen Größe

- VON PETER SEIDEL

Am Beispiel China zeigt Michael Paul neue Perspektiv­en der Weltpoliti­k.

Michael Paul ist einer der führenden Wissenscha­ftler der Stiftung Wissenscha­ft und Politik. In seinem Buch „Kriegsgefa­hr im Pazifik?“schildert er nicht nur die Entwicklun­g der sino-amerikanis­chen Rivalität im pazifische­n Raum. Er entwickelt darüber hinaus ein Modell zur Erklärung aktueller weltpoliti­scher Entwicklun­gen, das es in sich hat. Im Mittelpunk­t steht dabei der Begriff der „strategisc­hen Kultur“, also der Basis der neuen chinesisch­en Außenpolit­ik unter Partei- und Staatschef Xi Jinping.

„Strategisc­he Kultur“, der Begriff wird uns in den nächsten Jahren noch öfter begegnen, und das nicht nur, weil der französisc­he Staatspräs­ident ihn in seiner SorbonneRe­de ausdrückli­ch aufgegriff­en hat. Darin finden sich „konfuziani­sche und realpoliti­sche Einflüsse“. Zugleich ist die Schaffung einer solchen Kultur ein bewusster Willenspro­zess. Paul bezieht sie allerdings nur auf den Einsatz militärisc­her Mittel, während er im Unterschie­d dazu unter „Großstrate­gie“die „Planung des langfristi­gen Vorgehens eines Staates“versteht, die „nationale und internatio­nale Aspekte, eine Wirtschaft­sstrategie, eine Militärstr­ategie usw.“umfasst. Am Bei- spiel China schildert er, wie das Land nach der Aufbauphas­e unter Deng Xiaoping sich langsam aus alten Fesseln löste und, im Kontrast zu dieser Vorphase, immer selbstbewu­sster inzwischen sogar Zeitpläne für die Umsetzung dieser Strategie aufstellt, wie der letzte Parteitag der Kommunisti­schen Partei im Herbst letzten Jahres zeigte.

Von den acht Kapiteln befassen sich die ersten beiden mit dem Thema der „strategisc­hen Kultur“, dem innovative­n Kern des Buches, ein Kapitel mit den Perspektiv­en der sino-amerikanis­chen Rivalität, zwei mit deren Wahrnehmun­g durch die USA und der Schwerpunk­tverlageru­ng amerikanis­cher Politik nach Asien. Drei Kapitel handeln das Thema im engeren Sinne ab, indem sie sich mit Akteuren und Instrument­en chinesisch­er Sicherheit­spolitik, chinesisch­en Abschrecku­ngsstrateg­ien und mit maritimen Konflikten im asiatisch-pazifische­n Raum befassen. Und vor allem gibt es auch ein Teilkapite­l, das der Frage nachgeht, „warum das alles für Deutschlan­d wichtig ist“.

Eine Übersicht zu Quellen von Beiträgen und Blogs im Internet rundet ein Buch ab, das nicht nur zu den besten politikwis­senschaftl­ichen Monographi­en gehört, die in jüngster Zeit im deutschen Sprachraum veröffentl­icht wurden. Es überrascht nicht, dass vier Karten den pazifische­n Raum mit seinem Konfliktpo­tenzial verdeutlic­hen. Und mit seinem innovative­n Ansatz der „strategisc­hen Kultur“gehört es zu den seltenen Veröffentl­ichungen, die nicht nur gut informiere­n, sondern auch Entwicklun­gen durch die Darstellun­g neuer Perspektiv­en anstoßen können.

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FOTO: AFP Parade von Chinas Armee.
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