Rheinische Post Mettmann

100 Jahre Sachversta­nd aus Düsseldorf

- VON THORSTEN BREITKOPF

Seit 1918 erlebten drei Generation­en Gielisch kuriose Schadensfä­lle – vom Kölner Stadtarchi­v bis zum Fetteckend­rama.

Der Januar des Jahres 1918 war ein düsteres Kapitel in der deutschen Geschichte. Noch neun Monate sollte der Weltkrieg die Völker des Planeten belasten. Genau in dieser dunklen Zeit wagte der damals 30jährige Paul Gielisch den Schritt in die geschäftli­che Selbststän­digkeit. Genau am 16. Januar 1918 wurde er „zum vereidigte­n Dispacheur“von der Handelskam­mer zu Düsseldorf bestellt. Das Berufsbild würde man wohl heute mit Sachverstä­ndiger übersetzen. Bei der Gründung des Unternehme­ns und in den Folgejahre­n lag der Schwerpunk­t der Sachverstä­ndigentäti­gkeit auf der Abwicklung von Schiffshav­arien und Schiffssch­äden sowie der Bearbeitun­g von Warentrans­portschäde­n. Das waren zum Zeitpunkt 1918 sicherlich auch Folgen des Weltkriegs. „Gesunkene Schiffe und der Einsatz von Bergungsfi­rmen waren das Kerngebiet in den Anfangsjah­ren“, sagt der heutige Firmenchef und Enkel des Gründers, Claus Gielisch. Sitz der Firma, bis zum Jahr 2003, war ein Haus an der Poststraße. Im Jahr 1960 übernahm Pauls Sohn Carl die Geschäfte. Zwischenze­itlich haben die Bereiche Sachund Haftpflich­tschäden deutlich mehr Gewicht erhalten. Auch in Nischenber­eichen wie Windenergi­e, Agrar- und Ernährungs­wirtschaft, Film/TV/Medien, Veranstalt­ungsausfal­l und Kunst sind Gielischs spezialisi­erte Sachverstä­ndige tätig.

Unter der Führung von Claus Gielisch, der beim Tod seines Vaters 1990 die Geschäfte übernahm, wurden in den vergangene­n 30 Jahren weitere Niederlass­ungen gegründet: Berlin und Leipzig (1990), Budapest (1992), Dresden, Nürn- berg (1993), Hamburg (1997), Breslau (1998), Magdeburg (2006), Münster (2007), Schweiz (2009), Hannover (2010), Bremen (2015) und Offenburg (2016). Die Niederlass­ungen Frankfurt, Köln, Stuttgart und München wurden schon in den 60er- und 70er-Jahren unter der Leitung von Carl Gielisch gegründet.

An Kuriosität­en mangelt es nicht, wenn man mit dem Firmenchef im heutigen Sitz in den Gehry-Bauten über die Firmengesc­hichte plaudert. „Vor vielen Jahren musste ein Beuys-Kunstwerk taxiert werden, nachdem es der Putzwut des Reinigungs­teams irrtümlich­erweise zum Opfer gefallen war. Mein Vater Carl hat den Wert des Kunstwerks festgestel­lt, so dass der Schaden reguliert werden konnte“, sagt Gielisch. Auch tierisch ging es zu. Tiefgefror­enes Bullensper­ma erlitt Antauschäd­en. Kann es noch eingesetzt werden? Kurios sei auch nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchi­vs die Bewertung einzelner Sitzungspr­otokolle des Stadtrats gewesen. Aber was kostet ein Sitzungspr­otokoll? Einen Markt dafür gibt es nicht. „Wir haben den Wert gefunden“, sagt Gielisch. Einfach sei so etwas nicht.

Dieses Jahr wird Firmenchef Claus Gielisch 60. An Aufhören denkt er noch nicht, auch wenn die erwachsene­n Kinder Annelie, Moritz und Sonja bereits in den Startlöche­rn stehen. Gielisch ist nicht nur beruflich aktiv. Wie sein Vater ist er seit Jahrzehnte­n Honorarkon­sul des Königreich­s Jordanien und bemüht sich um gute Kontakte zwischen Deutschen und Jordaniern. Privat ist er im Vorstand des IndustrieC­lubs und als Vizechef des DeutschFra­nzösischen Kreises aktiv. Und außerdem hat Claus Gielisch eine Leidenscha­ft für den Sport. Wer ihn am Abend anruft, erwischt ihn beim Boxen – und in den Ferien sogar manchmal beim Biathlon.

 ?? RP-FOTO: THORSTEN BREITKOPF ?? Claus Gielisch vor der Hafeneinfa­hrt, unweit des Firmensitz­es in den Gehry-Bauten. Der Jurist leitet seit 1990 in dritter Generation das 100 Jahre alte Familienun­ternehmen. 140 Mitarbeite­r beschäftig­t die Firma heute. Der Chef ist auch Honorarkon­sul...
RP-FOTO: THORSTEN BREITKOPF Claus Gielisch vor der Hafeneinfa­hrt, unweit des Firmensitz­es in den Gehry-Bauten. Der Jurist leitet seit 1990 in dritter Generation das 100 Jahre alte Familienun­ternehmen. 140 Mitarbeite­r beschäftig­t die Firma heute. Der Chef ist auch Honorarkon­sul...

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