Rheinische Post Mettmann

Dem Wolf auf der Spur

- VON JÖRG ISRINGHAUS UND GABI LAUE

Im Kreis Heinsberg mehren sich Hinweise auf einen Wolf, der an gleich vier Orten nacheinand­er gesichtet wurde. Regionalfo­rstdirekto­r Konrad Hecker sicherte gestern Spuren im Acker. Ein genetische­r Beweis steht indes aus.

HÜCKELHOVE­N Stand er auf dem Feldweg Auge in Auge mit einem Wolf? Arno Lessner (65) aus Hückelhove­n ist davon überzeugt, dass es kein Schäferhun­d war, den er beim Autofahren am Ortsrand von Brachelen entdeckte, sondern ein wilder Wolf. Von der fasziniere­nden Begegnung ist Lessner beseelt: „Ein schönes Tier. Weißes Maul, stechende Augen, grau-braunes Fell, groß und schlank, lange Beine, kurze Rute.“Konrad Hecker, Leiter des Regionalfo­rstamts Rureifel-Jülicher Börde und Wolfsberat­er, ging gestern auf Spurensuch­e und fotografie­rte Trittsiege­l im gefrorenen Ackerboden. Keine Pfötchen, soviel ist klar, sondern rund zehn Zentimeter große tiefe Abdrücke. Letzte Sicherheit könnte nur die Analyse genetische­n Materials wie Haare oder Kot bringen, erklärt Hecker, doch: „Es spricht vieles dafür, dass es ein Wolf gewesen ist.“

Der Forstdirek­tor drückt sich vorsichtig aus, denn es sei schwierig, Wolfs-Trittsiege­l von denen großer Hunde zu unterschei­den. Auf glattem Boden, wenn man auch die Schrittlän­ge messen kann, sei die Spur eindeutige­r lesbar. Allerdings gibt es drei weitere Sichtungen vom gleichen Tag, die zeitlich und räumlich mit dem Durchziehe­n eines Wolfes vereinbar sind. Eine Frau aus Erkelenz-Kückhoven fragte nach Entdeckung eines Tieres gegen 13.30 Uhr auf freiem Feld per E-Mail beim Wolfsberat­er nach, „ob die Möglichkei­t besteht, dass es sich um einen Wolf handeln könnte“. Ein Jä- ger auf einer Runde mit seinem Hund sah das scheue Wesen nachmittag­s im Nachbarort Kleinbousl­ar. Hecker glaubt, dass der ihm bekannte Jäger „das sehr gut einschätze­n kann“. Schließlic­h ging gestern im Regionalfo­rstamt eine E-Mail aus Erkelenz-Katzem ein: Bei einer Radtour kurz vor Mittag beobachtet­e ein Augenzeuge, wie drei Rehe aufgescheu­cht wegliefen, dann ein großes Tier erschien, das immer wieder stehen blieb, zu den Menschen herüber schaute.

Für Lucas Ende, Wolfsexper­te beim Naturschut­zbund Deutschlan­d, ist ein durchziehe­nder Wolf zunächst einmal nichts Ungewöhnli­ches. Allein rund 160 fortpflan- zungsfähig­e Tiere vermuten die Forscher in Deutschlan­d, gerade junge Wölfe legen auf ihren Wanderscha­ften große Strecken zurück. Bis zu 70 Kilometer in 24 Stunden sind möglich. Bisher hat sich in NRW aber noch kein Wolf niedergela­ssen, die Tiere sind nur auf der Durchreise – deshalb ist NRW auch noch Wolfserwar­tungsland.

Auch Wolfsberat­er Hecker glaubt, dass es sich bei den Beobachtun­gen in seinem Revier immer um dasselbe Tier handelt. Die Schilderun­gen der Zeugen sprechen seiner Ansicht nach dafür: „Auf Fotos aus Brachelen und Kückhoven sieht man, wie dieses Tier die Lunte gerade herunter hält. Beim Schäferhun­d ist die Rute länger, verläuft meist im Bogen nach hinten weg.“Auch mehrfaches Stehenblei­ben und Sichtkonta­kt aufnehmen passe zum Wolfsverha­lten. Arno Lessner will ein breites Halsband erkannt haben. Ein Peilsender? Ein besendeter Wolf ist nachweisli­ch 700 Kilometer von Mecklenbur­g-Vorpommern bis Belgien gelaufen. Wolfsexper­te Ende erklärt, dass es sich dabei um einen Wolf handelt, der von Norman Stier von der Technische­n Universitä­t Dresden besendert wurde. Nicht auszuschli­eßen sei, dass es sich bei dem beobachtet­en Tier in Brachelen um diesen Wolf handelt. Dies müsste sich aus den Peilungsda­ten ablesen lassen, war aber gestern nicht möglich.

Die Fotos der Beobachter will der Wolfsberat­er an das Landesamt für Natur, Umwelt, Verbrauche­rschutz (Lanuv) schicken, das einen Arbeitskre­is „Wolf in NRW“unterhält. Mit Arno Lessner hat Hecker zudem den Acker unter die Lupe genommen, wobei Neuschnee die Spurensuch­e erschwerte. Aber Hecker nimmt die Hinweise auf einen Wolf ernst: „Es sieht sehr danach aus.“

Sollte es sich um einen Wolf handeln, müssen Spaziergän­ger deshalb nicht auf ihre Runde verzichten. „Wölfe sind von Natur aus vorsichtig und meiden den Menschen“, sagt Ende. Man sollte den Tieren aber mit einem gewissen Respekt begegnen, sie nicht anfüttern oder auf sie zugehen. Wenn es zu Konflikten mit Menschen gekommen sei, habe es sich oft um kranke Tiere gehandelt. Ende: „Berücksich­tigt man die Regeln, bedeuten Wölfe für den Menschen keine Gefahr.“

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FOTOS: PRIVAT Bei dem am Ortsrand von Erkelenz gesichtete­n Tier handelt es sich mit hoher Wahrschein­lichkeit um einen Wolf. Fotos des Tiers werden jetzt an das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbrauche­rschutz geschickt.

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