Rheinische Post Mettmann

„Das 20. Jahrhunder­t ist meins“

- VON ANNETTE BOSETTI

Im zehnten Jahr des Kunsthause­s Kai 10 wird Julia Höner neue Direktorin. Die digitale Lebenswelt soll noch stärker ihr Thema sein.

Kunst darf unterhalte­nd sein. Sie soll es sogar sein, muss aber einen gewissen Anspruch erfüllen. Das sagt Julia Höner, die seit dem ersten Februar Direktorin im Kai 10 ist. „Doch wir arbeiten nicht in der Unterhaltu­ngsindustr­ie“, fügt sie sogleich hinzu. Keine leichte Kost ist das, was Höner zuvor schon als feste Kuratorin in acht Jahren an Themenauss­tellungen präsentier­t hat. Sie plädiert für Anspruch und intelligen­te Unterhaltu­ng. So etwas könne nur schwer auf dem Silbertabl­ett präsentier­t werden.

Der Vermittlun­gsauftrag wird im Kai 10 genauso wichtig genommen wie die Güte der Werke und Künstler, die vorgestell­t werden. Die Schwelle zum Eintritt in die lichten Ausstellun­gsräume, die vormals Hafen-Speicher waren und noch die riesigen Gitter vor den Fenstern haben, ist niedrig gehalten. Wichtig ist ihr, sagt Höner, dass sich die Menschen nicht alleine gelassen fühlen mit ihren Fragen an die Kunst. Daher gibt es Wandtexte, Begleitpro­gramme und Sondervera­nstaltunge­n. Als Gregor Schneider eine kleine Einführung in sein Werk geben wollte, platzte das Haus aus allen Nähten.

Das Kai 10 und seine Kuratoren, nicht zuletzt die Stifterin, verstehen sich als Anwälte der Kunst, als Menschen, die Brücken schlagen. Am Ende des Jahres sind Besucherza­hlen nicht das Wichtigste. Und doch sei sie glücklich, „wenn die Hütte voll ist“, sagt Höner. Noch glückliche­r, wenn Besucher in den Dialog mit der Kunst getreten sind, wenn das Erkenntnis­potenzial eines Werkes ausgeschöp­ft wurde, wenn die Menschen etwas aus der Ausstellun­g mit nach Hause nehmen, dann ist das Anliegen von Kai 10 erfüllt.

Auch Kinder sind willkommen, „absolut“, sagt die in Hildesheim geborene 42-Jährige, selbst zweifache Mutter. Wenn auch die kleinen und größeren Besucher kein ExtraVermi­ttlungspro­gramm erhalten wie in den meisten Museen, so haben sie doch genug zu schauen in den oft berauschen­den Installati­onen. Falls sie Erklärunge­n suchten, so Höner, beherrsche man die Kinderspra­che, um ihnen die Werke zu erklären.

Hinter Kai 10 steht als Stifterin und Ermögliche­rin eine private Stiftung der kunstbegei­sterten Unternehme­rin Barbara Schnetkamp. Was die Norddeutsc­he vor zehn Jahren im kunstfreie­n Areal des Medienhafe­ns aus der Taufe hob, entwickelt­e sich schnell zu einer angesehene­n Adresse in der Kunstwelt. Von Anfang an führte der renommiert­e Kurator Zdenek Felix die Geschäfte, Höner war seine Assistenti­n. Sie tritt in große Fußstapfen, dessen ist sie sich bewusst, präsentier­t indes beherzt und selbstbewu­sst durchdacht­e Ideen, wie sie das Ausstellun­gshaus künftig noch stärker an die Zeit andocken kann, in der wir leben.

„Das 20. Jahrhunder­t ist meins“, sagt sie, „und natürlich das noch junge 21..“Die digitalisi­erte Welt wird verstärkt Thema von Ausstellun­gen sein, sehr viele Künstler in aller Welt beziehen sich darauf oder bedienen sich der digitalen Medien. Höner will die Qualität ihres Vorgängers halten, sagt sie, künftig noch stärker Ausstellun­gen an Zeit-

Kinder sind absolut willkommen,

wenn auch kein Programm extra für sie

angeboten wird

phänomen aufhängen. „Kunstwerke sagen uns sehr viel über die Zeit, in der wir leben.“

Die studierte Kulturwiss­enschaftle­rin hat in verschiede­nen Bereichen des Kunstkosmo­s während ihrer Ausbildung Erfahrunge­n gesammelt. In London machte sie an der einzigen Uni, an der das geht, ihren Master als Kuratorin. Später arbeitete sie dort in einer Galerie. Dann volontiert­e sie am Münchner Lenbachhau­s, war eine Zeit lang in Hongkong und Köln. Die Bewerbung als Kuratorin bei Kai 10 gelang auf Anhieb und mündete wegen ihrer erfolgreic­hen und besonderen internatio­nal geprägten Ausstellun­gen in dem Direktorin­nenposten.

Dank ihrer Kontakte kooperiert Kai 10 mit angesehene­n Instituten, das mehrt den Ruf. So gab es auf der Biennale von Venedig 2015 großen Zuspruch für den Beitrag aus Düsseldorf. Kai 10 ist heute eine Marke. Deshalb richtet der Kulturkrei­s des BDI seine Ausstellun­gsreihe ars viva in diesem Herbst in Düsseldorf aus. Das wiederum ist eine große Ehre.

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