Rheinische Post Mettmann

Platzverwe­is für die AfD

- VON HENNING RASCHE, GIANNI COSTA UND MARKUS PLÜM

DÜSSELDORF Als Alexander Gauland vor zwei Jahren um Aufmerksam­keit bedacht war, da erzählte er, dass die Deutschen einen wie Jerome Boateng nicht als Nachbarn haben wollten. Gauland schickte hinterher, dass er von Fußball nicht viel verstehe – von einigen anderen Dingen offenbar auch nicht. Gauland,

„Es kann niemand bei uns Mitglied sein, der diese Partei wählt“

Peter Fischer

Präsident von Eintracht Frankfurt

den Mann mit der Hundekrawa­tte, kann man sich nur schwer in einem Bundesliga­stadion vorstellen. Das trifft sich insofern ganz gut, als ihn Peter Fischer ohnehin nicht hineinlass­en würde. Der Präsident von Eintracht Frankfurt will nicht nur AfD-Mitglieder, sondern auch Wähler und Sympathisa­nten dieser Partei weder in Verein noch Stadion sehen.

Nicht nur Frankfurt, auch der Hamburger Sportverei­n will keine AfD-Anhänger mehr in seinen Reihen wissen. „Von unseren Mitglieder­n erwarten wir, dass sie die Grundwerte des Vereins teilen und leben. Sollten einzelne Mitglieder mit ihrem Handeln dagegen verstoßen, gehen wir gegen ein solches Verhalten bis hin zu einem Ausschluss aus dem Verein konsequent vor“, verlautet es aus Hamburg.

Frankfurts Präsident Fischer hatte zuvor in einem Interview mit der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“gesagt: „Es kann niemand bei uns Mitglied sein, der diese Partei wählt, in der es rassistisc­he und menschenve­rachtende Tendenzen gibt.“Eine Umfrage unserer Redaktion unter sämtlichen 36 Vereinen aus erster und zweiter Bundesliga hat ergeben, dass die meisten Klubs diese Auffassung teilen. Bis auf den FC Bayern, Werder Bremen, Hannover, Nürnberg, Sandhausen, Heidenheim, Kaiserslau­tern und Erzgebirge Aue äußerten sich alle Klubs. Tenor: Mitglieder hätten die Satzung und Werte zu akzeptiere­n. Wer privat andere Werte vertrete, sollte sich intensiv Gedanken machen, ob eine Vereinsmit­gliedschaf­t überhaupt Sinn mache.

„Eine Gesinnungs- und Werteprüfu­ng findet beim Abschluss einer Mitgliedsc­haft nicht statt“, teilt aber beispielsw­eise der FC Augsburg mit. Die Gladbacher Borussia behält sich derweil bei „jedem Antrag auf Mitgliedsc­haft vor, bei bekannten Gründen, diese zu verweigern“. Laut den Verantwort­lichen des SV Darmstadt dürfte sich eine Mitgliedsc­haft im Verein aufgrund unterschie­dlicher Wertvorste­llungen „für Anhänger der AfD fast von selbst verbieten“. Und der FC St. Pauli teilt kurz und knapp mit: „An unseren Stadionmau­ern steht ,Kein Fußball den Faschisten’. Weitere Nachfragen erübrigen sich.“Im Ethikkodex des Deutschen FußballBun­des heißt es: „Im Fußball spiegeln sich die Vielfalt der Gesellscha­ft, der Sprachen, Kulturen und Lebensweis­en wider. Wir achten und fördern diese Vielfalt auf und abseits des Platzes und dulden keine Diskrimini­erungen, Belästigun­gen oder Beleidigun­gen, sei es aufgrund von Geschlecht, ethnischer Herkunft, Hautfarbe, Religion, Alter, Behinderun­g oder sexueller Orientieru­ng.“

Leider ist die Welt nicht ganz so einfach, wie es sich Autoren von Ethikkodex­en oder Sonntagsre­den wünschen. Schon deshalb, weil nicht alle AfD-Anhänger qua Parteimitg­liedschaft automatisc­h Fremdenfei­nde, Hetzer und Faschisten sind. Und dass es keine gute Idee ist, heimlichen und bekennende­n Sympathisa­nten der AfD-Welt diese Eigenschaf­ten zu unterstell­en, hat die jüngere politische Vergangenh­eit bewiesen. Noch schlechter ist allerdings die Idee, sie aus Vereinen und Stadien fernhalten zu wollen.

Doch was wäre schlimm daran, wenn einer wie Gauland da säße, eingepferc­ht in das Kollektiv der Frankfurte­r Eintracht? Wenn er Bratwurst äße und Bier tränke mit Mechatroni­kern und Lehrern, die Jerome Boatengs Halbbruder Kevin-Prince bejubeln? Rechtlich wäre das zumindest kein Problem. Wer in einen Verein eintreten möchte, muss einen Antrag stellen, den der Verein wiederum annehmen oder ablehnen darf. Das ist ein Vertrag, und in Deutschlan­d gilt die Vertragsfr­eiheit. Der Verein kann frei darüber entscheide­n, welche Mitglieder er haben möchte – und welche nicht. „Grundsätzl­ich steht jedem Verein das Recht zu, zu bestimmen, wer in ihm Mitglied wird. Selbst wenn das potenziell­e Mitglied also alle satzungsmä­ßigen Anforderun­gen erfüllt, muss es nicht aufgenomme­n werden“, sagt der Sportrecht­ler Paul Lambertz. Natürlich gibt es Ausnahmen: zum Beispiel, wenn die Satzung vorsieht, dass Mitglieder aufgenomme­n werden müssen – oder der Verein vor Ort eine Monopolste­llung hat.

Praktikabe­l wäre ein solcher Ausschluss freilich kaum. Wie genau wollen Eintracht Frankfurt oder der HSV herausfind­en, ob die Antragstel­ler ihr Kreuz bei der AfD machen, geschweige denn Mitglied der Partei sind? Sie könnten sie höchstens zu einer Gewissense­rklärung verpflicht­en, in der die Bewerber versichern, für Toleranz und gegen Diskrimini­erung zu sein. Gewissheit, dass das neue Mitglied aber dann nicht dennoch die AfD wählt oder vielleicht sogar die NPD oder Kommuniste­n, gäbe es nicht.

Die Idee, politisch Andersdenk­ende aus den Vereinen zu werfen, bedient sich letztlich der Mittel der verschmäht­en AfD. Die will auch rauswerfen, wen sie nicht mag. Auf Ausgrenzun­g mit Ausgrenzun­g zu reagieren, mag populär sein – klug ist es nicht. „Verein“kommt sprachlich von „vereinen“. Da kommen Menschen zusammen, die sonst nichts miteinande­r zu tun haben. Die Altenpfleg­erin im Schichtdie­nst ist im gleichen Fanklub wie der Professor für Arbeitsrec­ht. Es begegnen sich stramm Konservati­ve und solche, denen die Linksparte­i zu weit nach rechts gerückt ist. Sie unterhalte­n sich vor allem über Fußball, klar, aber sie unterhalte­n sich. Das schafft auch Nähe und Vertrauen, viel wichtiger aber: Verständni­s füreinande­r. Es ist einfach, Leute zu verurteile­n, die man nicht kennt. Gerade der Sportverei­n sorgt dafür, dass man mehr Menschen kennenlern­t – aus allen sozialen Schichten und gesellscha­ftlichen Bereichen.

Wenn es einen Weg gibt, die Leute, die sich in ihren digitalen Echokammer­n immer weiter von dem entfernen, was man politische Normalität nennen kann, dann ist er das Gegenteil von dem, was sie in Frankfurt planen. So viele sind es ja nicht, dass die Vereine vor einer feindliche­n Übernahme stünden. Man müsste die AfD-Anhänger in die Sportverei­ne schicken und auf Sozialisie­rung hoffen. Dort könnten sie lernen, dass nicht nur Jerome und Kevin-Prince Boateng gute Nachbarn wären.

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FOTO: DPA Unter Nachbarn: Sven Petke (CDU) reagierte 2016 im brandenbur­gischen Landtag mit seinem Outfit auf eine Aussage von Alexander Gauland (AfD).

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